writers and lovers

Was ist eigentlich wichtig?

Writers and Lovers – darum geht es, genau wie der Titel es sagt. Casey, die Protagonistin, arbeitet an ihrem Roman und das trotz wirklich zahlreicher und bedrückender Erfahrungen, die sie machen musste. Es ist eine ziemlich lange Liste: Sie hat durch ihr Studium sehr hohe Schulden angehäuft und die Eintreiber sind hinter ihr her. Aktuell kellnert sie in einem Restaurant, wo Menschen ihre Machtpositionen ausnutzen und sie von einem Koch sexuell belästigt wird. Dieser Job sichert ihr etwas Einkommen, besonders das Trinkgeld, und ab und zu ein paar übriggebliebene Speisen. Sie lebt sehr sparsam: sie wohnt in einer kleinen Hütte, isst wenig und meist nur preiswerte Fertiggerichte, sie war lange Zeit nicht krankenversichert und braucht dringend einige ärztliche Untersuchungen, ihr letzter Freund hat sie unschön abserviert. Und ihre Mutter ist vor kurzem gestorben. Diese junge Frau ist so am Limit… Aber sie berappelt sich. Und sie schreibt. Sie schreibt an ihrem Roman. Und lernt sogar zwei sehr verschiedene Männer kennen. Diese beiden gehen mit ihr respektvoller um, aber dennoch verhalten sie sich auch beide seltsam. Casey weiß nicht so richtig, woran sie ist und wen sie liebt. 

Bei all den Belastungen und Bewegungen in ihrem Leben ist das Schreiben an ihrem Roman die Konstante. In einer Rede sagt sie selbst, er gebe ihr Halt, eine Art zu Hause, da kennt sie sich aus und hat die Geschicke in der Hand. Für mich als Leserin sah es eher so aus, als hielte sie ihm die Treue. Ja, das hat mich wirklich fasziniert, dass sie bei alledem und über eine herausfordernd lange Zeit ihrem Roman treu geblieben ist, zu ihm gehalten hat. Sie hätte die Arbeit an dem Roman auch nach hinten stellen können. Sie hätte sich stattdessen zuerst um eine andere Arbeit kümmern können, hätte erst ihr Liebesleben aufräumen, sich krankenversichern, untersuchen lassen und umziehen können. Sie hätte zuerst rundum für sich selbst sorgen können. Aber sie konzentrierte sich zuerst nur aufs Überleben und auf ihren Roman. „Ich schreibe nicht, weil ich glaube, ich hätte etwas zu sagen. Ich schreibe, weil sich ohne das Schreiben alles noch trostloser anfühlt.“ (S. 9) 

Natürlich müsste sie all das, was ihr Leben durchrüttelt und was sie selbst für ein rundum erfülltes Leben braucht, nicht aus den Augen verlieren. Wie sie damit umgeht, lesen Sie am besten selbst. 

Was das Buch noch besonders für uns Schreibverliebte macht, sind die vielen Gespräche und Gedanken über das Schreiben. Mit den Kindern des einen Freundes tauscht sie sich gar übers Tagebuchschreiben aus. Wir bekommen aber vor allem über den Roman hinweg konkrete Einblicke in den Schaffensprozess der Protagonistin, etwa wenn wir ihren Gedanken folgen: „Ich hatte ein paar unproduktive Tage, am liebsten würde ich ein Kapitel zurückgehen, um daran zu feilen, aber das darf ich nicht. Ich muss weiterkommen, ich muss zum Ende kommen.“ (S. 96) Und dann vergleicht sie ihr Schreiben mit ihrer Vorstellung davon, wie Maler ein Bild erst grundieren und Schatten und Motive grob skizzieren, bevor sie diese dann ausarbeiten. „Es macht nichts, dass ich nicht recht weiß, was der nächste Schritt ist, dass er vielleicht ganz anders aussehen wird, als ich jetzt denke. Ich muss Vertrauen in mich…“ (S. 96)

Auch aus der Perspektive von uns als Leseratten ist es spannend, an den Gedanken und Gesprächen über Literatur teilzuhaben und den ein oder anderen Titel auf die eigene Leseliste zu setzen. So fällt der Protagonistin etwa bei der Recherche auf, dass sich viele Schriftstellerbiographien in dem Punkt ähneln, dass ihre Mütter früh verstorben sind. Sie denkt nach über die Kurzgeschichte einer anderen Hauptfigur dieses Romans, sie spricht mit verschiedenen Menschen über klassische und zeitgenössische Texte, wie „Der Fänger im Roggen“ (J.D. Salinger) , „Macbeth“ (Shakespeare), „All die schönen Pferde“ (Cormac McCarthy) und „Holzfällen“ (Thomas Bernhard), . Sie erzählt, dass ihr damals in der Schullektüre Texte von Frauen fehlten und griff dank ihrer Mutter zu Edith Wharton, Joan Didion und Toni Morrison und mit ihrer Klasse liest sie schließlich neben „Siddharta“ (Hermann Hesse) auch „Vor ihren Augen sahen sie Gott“ (Zora Leale Hurston). 

Schließen möchte ich diese Buchbesprechung mit einem Zitat. Die Verbindung von Lesen und Schreiben kann man eigentlich kaum schöner beschreiben als die Protagonistin selbst: „Ich habe gern gelesen. Aber ich mochte vieles nicht. Die Begeisterung kam, glaube ich, als ich selbst angefangen habe zu schreiben. Da wurde mir erst klar, wie viel dazugehört, mit Worten das sichtbar und fühlbar zu machen, was man als Geschichte im Kopf hat.“

Lilly King: Writers and Lovers.

(Roman, erschienen 2022 bei dtv, übersetzt von Sabine Roth)