Ich schaue es mir gleich an.

Reisetagebuch schreiben statt Urlaubsfotos knipsen.  

Urlaub. Eine idyllische Kleinstadt am Meer. Ich spaziere durch die schmalen Straßen, die Architektur ist putzig, mir fallen die Blumen an den Fenstern auf, vor den Türen laden Kreidetafeln in die Geschäfte ein, es herrscht ein buntes Treiben. Ich fühle mich entspannt und habe sofort das Bedürfnis, das zu fotografieren, um mich später an dieses schöne Gefühl erinnern zu können. Mit dem ersten Bild bin ich unzufrieden, die Farben und das Licht wirken gar nicht so wie in echt. Ich gehe ein paar Schritte in die eine und in die andere Richtung, probiere verschiedene Winkel. Am Ende habe ich etwa zwanzig Fotos zur Auswahl, entdecke nebenbei eingegangene Nachrichten und ignoriere sie. Nur, das schöne entspannte Gefühl … ist jetzt dahin. 

Wie kann es denn anders gehen? Ich könnte einen Fotoapparat benutzen und das Fotografieren entschleunigen. Dann wäre ich in dem Moment, aber trotzdem noch mit der Aufnahme beschäftigt und von dem schönen Gefühl abgelenkt. Mir fällt ein taoistischer Witz ein: 

Touristen fotografieren während einer Safari unentwegt die vorbeiziehenden Tiere. Nur einer nicht. Der wird gefragt, warum er nichts aufnimmt. Und er antwortet: „Ich schaue es mir gleich an.“

Okay lange Vorrede. Was mache ich jetzt daraus? In einem Video der Künstlerin Ulrike Hirsch habe ich die Idee aufgeschnappt, statt zu fotografieren lieber Momente oder Orte zu malen. Darin bin ich nicht so geübt. Warum also nicht meine Passion ausleben und schreiben? Dann könnte ich es mir gleich ansehen, könnte verweilen in dem schönen Moment. Ich könnte vor Ort schreiben oder abends in meiner Ferienunterkunft oder zwischendrin beim Eiskaffee. 

Klingt gut soweit, nur wie kann ich schreiben? Wie kann ich diese Momente in Worten festhalten? Dazu habe ich hier folgende Ideen und Tipps:

  • Gedichte – Reisetagebuch in Haiku
  • Spontanes fokussiertes Schreiben
  • Skizzen im Slow writing 
  • Sammlung kleiner Notizen und innerer Betrachtungen 
  • Tipps für dein Reisetagebuch

 

Gedichte – Reisetagebuch in Haiku

Auf diese Idee kam ich durch das schmale Buch „Lob des Taifuns. Reisetagebücher in Haikus“ von Durs Grünbein.

Ein Haiku ist ein traditionelles japanisches Kurzgedicht, in dem ein Augenblick wie eine Momentaufnahme dargestellt ist und das aus nur drei Zeilen und einer bestimmten Anzahl Silben besteht. Da unsere Sprache anders strukturiert ist als die Japanische, erfüllen deutschsprachige Haiku eine Art eigene abgewandelte Form. Bei deutschsprachigen Haiku werden die Silben je Zeile gezählt: 1. Zeile 5 Silben, 2. Zeile 7 Silben, 3. Zeile 5 Silben. 

Du kannst es dir so vorstellen, dass diese kleine feste Form den Rahmen deines Polaroids bildet. Darin erscheint dann ganz magisch das Besondere, was du im Bild festhalten wolltest. Denn der Kern des Haikus ist sein Inhalt: Mit dieser konzentrierten, prägnanten Form werden Momente festgehalten mit Bildern aus der Natur und den Jahreszeiten. Haiku sind zumeist offen, witzig, klar, mit einem Gegenwartsbezug und einer Pointe. Dadurch vermittelt sich ein größerer Sinn, eine intensive Aussage.

In diesem kleinen Gedicht mit seiner speziellen Form kannst du das Wesentliche deiner Erlebnisse und der besuchten Orte ausdrücken. 

Segeltau klappert
durch den Hafen rockt der Wind
zur Ostseemusik

 

Leuchtturmromantik
wurde mitten am Hafen
in Rente versetzt

 

Gerade in Gedichten kannst du dich kreativ ausprobieren, sie wie Schnappschüsse gestalten. Du kannst dich an festen Formen orientieren und ein Haiku oder einen Zevenaar oder ein Rondell schreiben. Du kannst dich aber auch ganz einfach von deinen Eindrücken und Gefühlen leiten lassen und dein Gedicht ohne feste Form und ohne Reim drauflos schreiben. In unserem Blogpost zum Weltpoesietag haben wir einige Anregungen versammelt. 

Hier ist noch ein Beispiel für eine einfache Gedichtform, das Listengedicht: Schreib ein zehnzeiliges Gedicht, indem du jede Zeile gleich beginnst (mit einer Anapher) und spontan beendest mit den Gedanken, die dir gerade im Kopf sind. Hier kannst du Informationen und Gefühle unterbringen. Lass dich von dem wellenartigen Schreibrhythmus tragen.

 

Eckernförde

Ich spaziere durch Eckernförde und am Hafen steht stoisch der Leuchtturm außer Betrieb. 

Ich spaziere durch Eckernförde und höre Segeltaue gegen die Masten klappern.

Ich spaziere durch Eckernförde und mit mir geht der Wind durch die Straßen.

Ich spaziere durch Eckernförde und hab zugleich die Sonne auf der Gänsehaut.

Ich spaziere durch Eckernförde und vorbei an Boutiquen, Cafés, Buchläden, dem alten Rathaus. 

Ich spaziere durch Eckernförde und bin in den kleinen Straßen umgeben von Fachwerk und roten Ziegelbauten.

Ich spaziere durch Eckernförde und habe Demut angesichts der liebevoll restaurierten Fischerhäuschen.

Ich spaziere durch Eckernförde und suche die Bonbonkocherei in der Nähe des Rundspeichers.

Ich spaziere durch Eckernförde und am Strand entlang, Kinder baden, Marine im Hintergrund. 

Ich spaziere durch Eckernförde und entdecke eine Meerjungfrau in einem Blumengarten.

 

 

Spontanes fokussiertes Schreiben

Eine andere Möglichkeit ist, ohne jegliche Form kurze Texte im fokussierten Freewriting zu schreiben.

Denk an den Ort, den du heute besucht hast. Was hast du über diesen Ort erfahren? Welche Bedeutung hat der Ort für die Menschen? Hat sich diese Bedeutung im Laufe der Geschichte verändert? Welche besonderen Merkmale hat dieser Ort? Was kann man dort erleben? Wie leben die Menschen dort?

Versetz dich nochmals in dein Gefühl, als du dort warst. Mit welchen Sinnen hast du ihn wahrgenommen? War es warm oder frisch auf der Haut? Ging ein Wind? Wie hat es geduftet? Spielte Musik? Was hast du gegessen? Was hat diesen Ort für dich besonders gemacht? Woran möchtest du dich später erinnern? 

Jetzt schalte einen Timer auf fünf Minuten oder nimm dir eine Seite in deinem Reisetagebuch vor und schreib ohne besonderes Nachdenken schnell alles auf, was dir gerade einfällt. Wenn du beim Schreiben in Gedanken zu sehr von deinem Urlaubsort wegwanderst, notiere den Ort wieder vorne auf die nächste Zeile und nimm die Erinnerung wieder auf. 

Mein Beispiel: 

Eckernförde

Eckernförde, ich hab mir vorgestellt, dein Stadtkern wäre größer. Vielleicht war ich auch nur in dem Bereich, in dem Touristen sich tummeln. So wie ich. Wir waren auf der Suche nach der Bonbonkocherei. Ich wusste gar nicht, dass Bonbons gekocht werden. Bisher hatte ich das auch nur im Fernsehen gesehen und wollte mal live dabei sein. Es war faszinierend, wie lang diese klebrige Bonbonmasse war und wie schwer sie offenbar zu bearbeiten war. Die Köche hatten kräftige Arme. Wir kauften Bonbons als bunte Fische, Muscheln, Himbeeren und Taler in Tüten und Gläsern.

Eckernförde hat eine süße Altstadt. Hier kann man schön bummeln. In der Nähe des alten Rathauses sind die Gebäude recht groß. In den Seitenstraßen ducken sich kleine Fischerhäuser. Sie sind so liebevoll restauriert, an den bunten Fenstern hängen Blumenkästen, die Türen sind gesäumt von Pflanzen oder Bänken. Kreidetafeln laden in Geschäfte ein, Boutiquen, Bäcker, Buchladen. Für ein Straßencafé ist es mir heute zu frisch. Es ist windig in den Straßen. Ich muss mich eincremen, weil ich bei dem kalten Wind nicht merke, wie doll die Sonne brennt. 

Eckernförde, am Hafen klappern die Taue der Segelschiffe. Ich kenne mich damit nicht aus. Aber es klingt ein bisschen wie Musik. Der alte Leuchtturm trägt die Farben blau und gelb. Ungewöhnlich für einen Leuchtturm. Hab ich Leuchtturmvorurteile? Der Weg entlang des Strandes schlängelt sich zwischen Sand auf der einen Seite und flachen Hotels auf der anderen. Hunde sind am Strand nicht erlaubt. Das verstehe ich und gehe brav auf dem Weg. Am Strand ist eine kleine Kapelle. Man darf eintreten und beten. 

 

Skizzen im Slow Writing

Das Gegenteil dieses schnellen Schreibens aus der Erinnerung ist das langsame Schreiben. Es nimmt die Geschwindigkeit aus der Situation und kann zusätzlich zur Erholung beitragen. Diese Form bietet sich an, wenn du dich an dem Ort befindest, über den du schreiben willst und wenn du deine Eindrücke gern noch eine Weile genießen möchtest. 

Es ist eine Form des Schreibens, bei der du ganz in Ruhe alles betrachten und dann mittels Worten beschreiben kannst. Lass dich auf deine Umgebung ein und den Blick schweifen. Suche dir am besten einen Ausschnitt deines Ausblicks aus, den du schriftlich skizzieren möchtest. Betrachte diesen Ausschnitt. Zoome heran und nimmt die Details wahr. Welche Einzelheiten bemerkst du? Helfen Metaphern, das zu beschreiben?

Schreibe genau auf, was du siehst. Schreibe langsam, genieße es, wie die Tinte auf dein Papier fließt oder wie dein Bleistift glänzende Schriftlinien auf dem Papier hinterlässt. Nimm die Bewegungen deiner Hand wahr, die Form der Buchstaben. Langsam entsteht ein Bild aus Worten. 

Beispiel

Vorhin kam ich an der Eckernförder Nixe, Mareminde, vorbei. Sie stand da am Strand auf ihren Schwanz gestützt und reckte sich gen Himmel. Ihr Körper wirkte hart, kantig, ihre kurze Frisur zackig. Ihre ganze Erscheinung ein einziger Widerstand. Natürlich, ihre Geschichte ist bitter, wie könnte sie da anmutig erscheinen. 

Aber jetzt stehe ich hier im Kurpark und kann gar nicht fassen, dass eine Meerjungfrau im Blumenbeet zu baden scheint. Es wirkt, als tauche sie gerade auf. Hell und weich schwimmt sie zwischen Stiefmütterchen wie in einem Meer aus gelben, weißen, roten und lila Blüten. Gleich taucht ihr Schwanz ein. Ihr langes Haar dreht sich über ihre Schulter. Sie sieht entspannt aus, aber ihr Blick ist so gruselig leer. Warum ist ihr Blick so leer? 

 

Sammlungen kleiner Notizen und innerer Betrachtungen

Hier sind noch weitere Ideen, worüber du in einem Reisetagebuch schreiben kannst: 

  • Rezepte aus der Urlaubsregion: Welche Gerichte hast du an deinem Urlaubsort für dich entdeckt? Frag Menschen nach ihren liebsten Rezepten. Beschreibe das Essen anstatt es zu fotografieren – Wie sieht es aus? Welche Konsistenz hat es? Wie duftet es? Und natürlich wie schmeckt es? Finde Metaphern, um das zu beschreiben.
  • Wörter, Redewendungen: Hast du besondere Wörter aufgeschnappt? Utluchten – das sind traditionelle Erker an den kleinen restaurierten Fischerhäusern in den schmalen Straßen. Bonbonkocherei. 
  • Sagen, Legenden oder Märchen: Was erzählen sich die Menschen an deinem Urlaubsort? Wofür ist der Ort bekannt? In Eckernförde erzählt man sich die Sage von Mareminde, der Tochter des Meeresgottes, die an den Meeresgrund gekettet war, weil sie ihre Aufgabe vernachlässigt hatte, über die Seelen Verstorbener zu wachen. Sie konnte die Ketten sprengen und steht jetzt am Strand, als Meerjungfrau-Skulptur aus Eisen. 
  • Welche Gegenstände begleiten dich auf der Reise? Welche hast du geschenkt bekommen oder gekauft? Erzähl einen Tag aus ihrer Perspektive.
  • Welche Themen beschäftigen dich auf deiner Reise? Welche Entdeckungen hast du gemacht? Welche Perspektivwechsel hast du erlebt? Was siehst du jetzt anders als zuvor? Was hast du heute gelernt?
  • Hast du mal keine Lust, zu schreiben, dann kannst du auch kritzeln, zeichnen oder Tickets, Karten, Zeitungsausschnitte und andere Schätze in dein Reisetagebuch kleben. Ganz wie du es magst.

 

Tipps für dein Reisetagebuch

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Nimm als Reisetagebuch ein schlichtes kleines Notizbuch (gibt es sogar in Smartphone-Größe) oder nur ein Heft mit. Das macht weniger Druck, die vielen leeren Seiten füllen zu müssen. Oder nimm ein größeres besonderes Buch, dass du kontinuierlich mit den Eindrücken all deiner Reisen füllst. So hast du die Erinnerungen an deine Reisen beisammen und kannst schauen, wo du schon warst und wie du dich mit diesen Reisen entwickelst. Dein Notizbuch oder Notizheft darf in jedem Fall besonders sein – so kannst du das Schreiben genießen und zeigst deinen eigenen Erfahrungen und Worten Wertschätzung. 

Praktisch ist es, wenn es flach liegt, so dass du nicht mit dem Buch kämpfen musst, wenn du eigentlich entspannt schreiben möchtest. Wenn du gern draußen schreibst, besorge dir eine Buchbinderklammer (Foldback-Klammern) oder Büroklammer oder ähnliches, damit dir der Wind nicht die Seiten umblättert. Zeichnest du gern oder klebst du dir gern Eintrittskarten dazu, könnte ein unliniertes Notizheft gut passen.

Pack dir deine liebsten Stifte möglichst handlich ein. Es gibt Stiftschlaufen, die man an Notizhefte kleben kann oder Etuis an Gummibändern, die man um das Notizbuch streifen kann. So hast du alles zusammen. Denk ggf. an Tinte oder Minen zum Nachfüllen. 

Notiere dir ganz hinten in dein Reisetagebuch deine Lieblingsanregungen aus diesem Blogbeitrag. Wenn du mal nicht weißt, worüber du schreiben kannst oder wie du es am liebsten anstellen möchtest, dann kannst du hinten spicken. 

 

Ich wünsche dir eine schöne Reise, spannende Eindrücke und inspirierende Schreibzeiten mit deinem Reisetagebuch.
Hab schöne Begegnungen und mach interessante Entdeckungen und dann

schreib drüber!

Deine Jana 

 

 

 

Inspiration

In diesem Blogpost hat Nora ausführlicher über das Haiku geschrieben: Haiku schreiben über den kürzesten Monat.

In diesem Blogpost bekommst du noch mehr Anregungen für Gedichte: Mit Gedichten das Leben verstehen – der Weltpoesietag

Und wenn du dein Reisetagebuch als Heft selbst binden möchtest, findest du hier eine einfache Anleitung: Gekaufte Notizhefte sind langweilig? So binden Sie sich Ihr eignes Journal oder Tagebuch

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