inspiriertes Lesen des Buches ‚Schafft euch Schreibräume‘
Ich lese gerne schöne Bücher über das Schreiben. Und das Buch ‚Schafft euch Schreibräume’ von Judith Wolfsberger hat es mehrmals auf meinen Nachttisch und meinen Schreibtisch geschafft. Was dieses Buch für mich so anziehend macht, erzähle ich hier. Im Frühling des Jahres 2018 habe ich es entdeckt und mich gedanklich mit der Autorin auf eine Reise begeben, bei der ich über drei schreibende Frauen mehr erfahren habe – über Virgina Woolf, Judith Wolfsberger und mich. Und ich glaube, dass diese ‚Lesereise‘ auch für Sie überraschende Einsichten bereithält:
Mai 2018, noch ist es sonnig, doch ein Sturm zieht auf. Mit Jana treffe ich mich in Frankfurt (Oder), wir betreten den Ziegenwerder, eine kleine Insel hinter einem der Universitätsgebäuden. Wir lassen uns ein wenig verzaubern von der verwunschenen Stimmung hier am Rande Deutschlands und freuen uns über den Luxus unserer Frei-Beruflichkeit. Wir sind voller Vorfreude und Liebe: Gleich treffen wir bekannte Gesichter wieder und lernen Judith Wolfsberger kennen.
Im Schreibzentrum der Europa-Universität Viadrina stellt die Autorin zur Einweihung des neues Co-Writing-Space der Universität ihr Buch vor: ‚Schafft euch Schreibräume!‘ So wie das Wetter draußen, so ist auch Judith Wolfsbergers Buch – erste warme Sonnenstrahlen mitten im Frühling, der Neues verspricht, dann Regen und Sturm, ein heftiges Gewitter, dann legt sich alles, Stille tritt ein, Nachdenken in der Ruhe und dann darf die Sonne wieder scheinen.
In fünf Etappen führt uns Judith auf die Spuren von Virginia Woolf, schaut in Schreibräume und sucht nach Antworten auf Fragen weiblichen Schreibens. Als Leserin lerne ich ihren Schreibprozess kennen, spüre ich ihre Sorgen und ihr Verzagen. Aber ich erlebe auch, wie sie beherzt Mut zum Schreiben fasst und uns Frauen zum Schreiben aufruft. Darum geht es: um Entschlossenheit, Mut, ja vielleicht sogar um Waghalsigkeit und den Schneid, als Frau zu schreiben.
Das sind die fünf Etappen:
Autorin werden?
Als Ich-Erzählerin nimmt mich Judith im ersten Kapitel mit nach England, wo sie sich Virginia Woolf annähern und von ihr lernen möchte. Sie will „(…) vielleicht dann auch mal was schreiben, das nicht immer in meinen Notizbüchern oder auf meiner Festplatte hängen bleibt“ (S. 18). Dieses Kapitel des Aufbruchs spiegelt also auch Judiths Wunsch, selbst zu schreiben und beinhaltet vor allem diese Fragen: Wie kann sie Autorin werden? Was braucht frau, um schreiben zu können? Kann Virginia Woolf ihr ein gutes Vorbild als Schriftstellerin sein?
Und auf ihrer Reise, die Judith in sinnlichen, bewegenden, poetischen Bildern erzählt, findet sie erste Antworten und Inspirationen. Sie lässt sich in die Welt von Virginia Woolf ziehen, ist begeistert, schreibt selbst; doch muss sie sich auch damit auseinandersetzen, wie schwierig es ist, als Frau zu schreiben, damals wie heute noch, so scheint es. Auch wenn sich seit Virginias Zeiten viel verändert hat, ist es immer noch keine Selbstverständlichkeit, Raum und Zeit zum Schreiben zu haben, besonders als Frau. Was muss frau dafür geben oder gar aufgeben, um zu schreiben?
Judith sieht sich die Räume an, die Virginia zum Schreiben genutzt hat, und gibt uns Einblicke in die Schreibroutine von Virginia. Ich erfuhr, dass Virginia Woolf eine leidenschaftliche Tagebuchschreiberin war und das Tagebuch als Ort nutzte, um sich auszuprobieren, frei zu schreiben und das Schreiben zu üben. Auch in ihrem Essay A Room of One’s Own macht sich Virginia Woolf Gedanken über Schreibräume und Freiräume, die Frauen zum Schreiben brauchen. Sie fordert ein festes monatliches Geld und ein eigenes Zimmer für jede Frau, die schreiben möchte.
Doch es geht um noch viel mehr: Judith Wolfsberger entdeckt auf ihrer Reise noch einen weiteren Aspekt, der ihr bislang nicht so bewusst gewesen war. Ein eigenes Zimmer bedeutet nicht zwangsläufig allein zu schreiben, sondern auch zu bestimmen, mit wem frau es teilen möchte! Und das ist eine wichtige Botschaft des ersten Kapitels für mich: „Wir brauchen einen offenen Austausch mit anderen Schreibenden, leider ist so einer in unserer Kultur schwer zu kriegen. Und wir brauchen geeignete Zeit-Räume und die innere Freiheit, um uns zu probieren.“ (S. 34)
Mutter werden?
Nachdem Judith Wolfsberger im ersten Kapitel fragt, ob sie schreiben kann und darf, folgt in dem zweiten Kapitel die Suche nach der Form: Was kann sie schreiben? Wie kann sie es schreiben? Doch ist diese Suche gleichzeitig geprägt von ihrem Wunsch Mutter zu werden und dessen wundervoller Erfüllung sowie von dem schwierigen Durchwandern der Geschichte ihrer Großfamilie, in der es ein Trauma gibt, das Judith lange nicht besprechen konnte und nun in ihr hervorbricht. So weben sich diese zwei Stränge – Suche nach Form und Familiengeschichten mit Mutter-Werden – in das zweite Kapitel ein, da sie miteinander passieren und einander bedingen.
Der zweite Teil des Kapitels beginnt erzählerisch mit einem Bruch, so wie dieses ganze Kapitel auch inhaltlich ein notwendiger Bruch zu sein scheint. Judith wechselt die Perspektive und schreibt nicht mehr als Ich-Erzählerin. Judith ist nun: „Sie.“ „Sie war auf Virginias Spuren durch England gereist, sie hatte ihr erstes Buch fast fertig geschrieben und sie wünschte sich ein Kind.“ (S. 74). Sie war Orlando. Judith hatte ihre Form, ihr Wie gefunden, indem sie sich eine Figur von Virginia gewählt hat, durch die sie ihre Geschichte erzählen (lassen) konnte. Damit führt sie eindrücklich vor, was Schreiben bewirken kann: Hat sie im ersten Teil noch über das Autorinnen-Sein nachgedacht und sich von Virginia ermutigen lassen, so hat sie im zweiten Teil ihr Schreiben entfesselt und damit begonnen, ihre eigene Geschichte, ihr eigenes Buch zu schreiben.
Und indem sie ihr Schreiben entfesselt hat, hat sie auch einen Teil ihrer Vergangenheit entfesselt. Schreiben setzte etwas bei Judith frei und ließ sie gleichzeitig einen Umgang mit dem Trauma ihrer Familie entdecken: „Orlando (also Judith Wolfsberger, N.P.) richtete sich ein im stillen Entsetzen und schrieb Hunderte von Seiten in ihrem Tagebuch. Denn Schreiben war möglich, reden nicht.“ (S. 115) Und auch dabei konnte sie sich an Virginia Woolf orientieren: „Wie ist Virginia mit den vielfachen Traumatisierungen ihrer Jugend umgegangen? (…) Was tat sie, um zu überleben? (…) Sie schrieb und schrieb und schrieb. Endlose Tagebücher, tausende Briefe, viele, viele Rezensionen und Artikel. Später ein Dutzend Romane und Kurzgeschichtensammlungen, mehrere Sachbücher und etwa 100 Essays (…). Gegen Ende ihres Lebens schrieb Virginia autobiografische Skizzen (…). Sie schrieb sich immer wieder frei.“ (S. 86)
Das Schreiben, so wie es Virginia Woolf und Judith Wolfsberger alias Orlando für ihre persönliche Heilung nutzten, ist ein Mittel des Selbstcoachings. Die Autorin, Biographieforscherin und Poesietherapeutin Birgit Schreiber sagt dazu in ihrem Buch ‚Schreiben zur Selbsthilfe‘, dass vielen Kriegskindern und -enkeln das Schreiben heutzutage hilft, mit ihren Erlebnissen und Traumata umzugehen, sie schreiben ihre Geschichte auf – für sich, für die Familie, für andere – um sich zu entlasten, um zu heilen (Schreiber 2017, S. 47)
Zentral im zweiten Kapitel ist für mich, dass Judith Wolfsberger uns zeigt, dass sich das Leben nicht vom Schreiben trennen lässt, dass Schreiben und Vergangenheit, dass Schreiben und Biografie zusammenhängen. Ihre persönliche Geschichte gehört genau in dieses Buch über das weibliche Schreiben, in Judiths Nachdenken über ihr Schreiben. Denn es ist Teil ihres Lebens, ist ihr genau in dieser Zeit passiert und hat ihr Schreiben, ihre Wanderungen, ihr Nachdenken geprägt.
Künstlerin werden?
Zu Beginn des dritten Kapitels befinden wir uns mit Judith auf Maui. Sie ist zum Workshop The Art of Memoir gereist mit der Idee, über ihre Familiengeschichte ein Memoir zu verfassen. Doch in dem Kurs wird sie dazu herausgefordert, aus ihren zwei Buchideen (ein Travel-Essay auf den Spuren von Virginia Woolf und das Memoir) EIN Buch zu machen. So ist sich die Kursleiterin sicher: „We need more of you in your text about Virginia Woolf. And we need more of Virginia Woolf in your autobiographical story, in your memoir. It is she who guides you, isn’t it?“ (S. 131).
Mit dieser Aufforderung kehrt Judith nach Wien zurück und hat dann eines Tages die Eingebung, wie ihr Buch aussehen und welche Form es annehmen kann. Ich erlebe mit, wie sich das Buch, das ich nun in den Händen halte, formt. Und spüre den Mut, den Judith entwickeln muss, um ihr ganz eigenes Buch zu verfassen:
„Ich dachte an mein neues Buchprojekt, ja ich hatte ein inneres Bild, eine Vision, ein vages Konzept davon. Und doch gab es, (…), tausend Kräfte, die den Wunsch, dieses Buch zu schreiben, unterwanderten, mir die Vorstellung entreißen wollten, ich könne, dürfe und würde es tatsächlich tun. (…). Ach, ich kannte das so gut (…). Das Gefühl „inadequat“ zu sein, nicht gut genug, nicht wichtig genug, um sich öffentlich zu äußern. Ich war froh, (…), zu lesen, dass selbst die große Virginia, (…), auch solche Zweifel hegte. Ich konnte also weitermachen. Weitergehen, trotz all dieser inneren Krücken und Dämonen.“ (S. 153)
Es entsteht eine Gewissheit – Judith Wolfsberger will dieses Buch schreiben, auch wenn es vielleicht niemand will und braucht. So begibt sie sich auf eine Wanderung durch Süd-England, um noch einmal auf den Spuren von Virginia Woolf zu wandeln und sich inspirieren zu lassen und dabei ihre Familiengeschichte zu erschreiben. Judith beschreibt ihre Wanderung sinnlich, lässt die Küste in Bildern vor meinen Augen entstehen, den englischen Tee duften und ihre Begeisterung für die Landschaften spüren. Sie webt in ihre Beschreibungen Details aus Woolfs und ihrem eigenen Leben ein, stellt dabei essentielle Fragen zum künstlerischen Schaffen, gibt erste Antworten.
Doch so schön die Reise für Judith ist, so ist sie auch von Schmerzen geprägt, Schmerzen, die sie in ihrem Knie verspürt und immer wieder innehalten lässt. Diese Schmerzen symbolisieren gleichzeitig die Herausforderungen beim Schreiben, den schwierigen Weg, der manchmal nur langsam vorwärtsgeht, der einen aufgeben lassen möchte. Immer wieder ringt Judith mit ihren inneren (und äußeren) Kritikern, so wie es andere Autorinnen tun und taten, wie auch Virginia Woolf. Judith Wolfsberger kann nur Schritt für Schritt gehen und erkennt dabei: „Ich wusste, ich musste geduldiger werden, mit mir, mit meinem Schreiben.“
Außerdem beleuchtet die Autorin in diesem Kapitel noch einmal, was es beutetet einen Frau zu sein, die schreibt oder kreativ ist. So meint Virginia Woolf zum Beispiel, dass man Ruhe, Gleichförmigkeit im Leben braucht, Zeit, um „in einen künstlerischen Trancezustand zu kommen“ (S. 157). Doch sie weiß auch, dass gerade Frauen in ihrer Ruhe immer wieder gestört werden.
Das zeigt sich auch in dem Buch ‚Ich schreibe, also bin ich‘, in dem Schriftstellerinnen portraitiert werden. Bei all diesen Frauen spielt die Frage, wo sie schreiben, eine zentrale Rolle und wenige von ihnen haben ein eigenes Zimmer zum Schreiben. Das sind zum einen ganz pragmatisch gedacht der Ort und auch die Zeiten im Familienleben, an denen eine Frau sich ungestört und privat entfalten kann. Zum anderen ist das symbolisch gemeint als kreativer Freiraum, als Denkraum, als Möglichkeitsraum und auch als Raum weiblichen Austausches.
Judith Wolfsberger scheint auf der Suche danach, wie sie das umsetzen kann, was sie will. Es geht nicht nur um das Schreiben eines Buches. Es geht um das Schreiben im eigenen Leben, ein Leben als Künstlerin zu führen. Doch wie kann das mit dem Alltag, den Anforderungen der Gesellschaft und dem Wunsch, allen gerecht zu werden, verbunden werden? Im Kern erlebe ich, wie Judith ihre Vision ihres Lebens und ihres künstlerischen Handelns entwickelt. Es geht nicht darum, sich dem Außen anzupassen, zu schauen, wie ihr Buch in den Buchmarkt passt, welches Genre sie bedient. Es geht um die eigene innere Haltung, eine Klarheit darüber, um damit in die Welt zu treten.
Virginias Vision für 2028?
Im vierten Teil des Buches trifft Judith auf Virginia Woolf in einem Land, in dem Virginia selbst nie gewesen war und wo sie doch allgegenwärtig zu sein scheint, wenn frau sich mit dem Schreiben beschäftigt: in den USA.
Die creative writing Szene der USA lebt Virginia Woolf, bezieht sich immer wieder auf sie, findet Judith heraus. Einen besonderen Moment erlebt sie, als sie in New York einen Workshop entdeckt, der so ziemlich das umzusetzen scheint, was Virginia in A Room of One’s Own zu beschreiben und zu fordern scheint: Workshop on Writing about motherhood: For Mothers who love to Write (and eat). (S. 198). Und von da aus entdeckt Judith immer mehr Schreibräume in den USA, Schreibgemeinschaften, die Schreiben ganz anders aufzufassen scheinen als im ‚alten Europa‘ und die ihr in unserer Heimat noch fehlen.
So taucht in Judith die Frage auf, was sich seit Virginias Zeiten für das weibliche Schreiben getan hat. Wie steht es um die Forderungen von Virginia? Haben Frauen heute schon mehr Freiheiten? „Erleben Frauen heute überhaupt noch Einschränkungen und Nachteile an den Universitäten? Schreiben Frauen anders, möchten sie anders schreiben, dürfen sie das? Brauchen sie, brauchen wir schreibende Frauen andere structures and settings?“ (S. 189) Und während sie sich Gedanken über diese Fragen macht, formuliert Judith – und das bestimmt das vierte Kapitel – selbst 11 Forderungen für das weibliche Schreiben, für unsere Schreibzukunft. So fordert sie zum Beispiel:
- „Ungestörte Zeit zum Schreiben, Denken, Lesen. Am besten jeden Tag einmal und jede Woche einmal länger, und mehrmals im Jahr für mehrere Wochen am Stück.“ (S. 196)
- „Diese ungestörten Schreibzeiten sollen an schönen, inspirierten und inspirierenden Orten stattfinden.“ (S. 196)
- „Eine Absage an schnelle äußere Erfolgskriterien.“ (S. 202)
- „Um unsere Schreibpotentiale zu entwickeln, brauchen wir positiven Kontakt zu anderen Schreibenden, eine community of writers.“ (S. 204)
- „Trauen wir uns doch über unsere Erfahrungen als Körper die Wahrheit zu schreiben, über die in unseren Körpern abgespeicherte Geschichte! Weil wir diese Geschichten voneinander brauchen, um befreit weiterzugehen.“ (S. 227)
Feministin sein?
Bei den Forderungen und Wünschen an eine weibliche Schreibzukunft bleibt Judith Wolfsberger nicht stehen. Im 5. Kapitel geht sie noch einen Schritt weiter und greift weiter nach Antworten um das Frausein und das weibliche oder feministische Schreiben. Sie wechselt hier in ein anderes Gebiet des Schreibens, sodass dieses Kapitel für mich zunächst schwer zu greifen war. War sie zuvor im literarischen und persönlichen Schreiben unterwegs, führt sie uns als Leserinnen nun in die Welt des akademischen Schreibens.
Da ich selbst vor gut drei Jahren genau mit diesem Schreiben gebrochen habe, ein Schreiben, das mich jahrelang begleitet und bestimmt hat, war dieses Kapitel ein harter Bruch beim Lesen. Ich sträubte mich zunächst dagegen, da ich mir keine Gedanken mehr um das so eingeschränkte, regelgeleitete wissenschaftliche Schreiben machen wollte. Doch als ich dann ein zweites und drittes Mal in das Kapitel eintauchte und ich mich darauf einließ, weitete sich mein Blick:
Alles ist Schreiben und immer sollte es darum gehen, so zu schreiben, wie frau es selbst braucht. Egal also welche Art des Schreibens, welches Genre ich für mich wähle, ich schreibe und ich muss darin meine Stimme und meinen Platz finden und den Mut, das zu schreiben, was ich will. Und so kann ich mich eindenken und einfühlen in die Manifeste der Frauen, die Judith Wolfsberger im 5. Teil ihres Buches vorstellt.
Entstanden sind diese Manifeste in einem Workshop über eine feministische Schreibpraxis, den sie mit begeisterten Doktorandinnen und Post-Doktorandinnen durchführte, die mehr über Judiths Recherche über Virginia Woolf erfahren und darüber nachdenken wollten, was weibliches Schreiben ausmacht. Sie diskutierten und hielten am Ende fest, wie sie ihr Schreiben verstehen und was sie für sich als Frauen in einem männlich geprägten Schreibumfeld wünschen.
Judith taucht noch einmal tiefer in die Frage nach dem weiblichen Schreiben ein: „Wir schreibende Frauen wollen bewusst als ganze Menschen agieren, die essen, schlafen, lieben, zweifeln, reden und alles Mögliche erleben wollen. (…). Wir wollen das Leben als Teil unserer Arbeits-, Schreib- & Denkprozesse verstehen. Wir sind keine reinen Kopf- bzw. Vernunftwesen, die am Fließband normierte, erwartete Produkte ausspucken!“ (S. 246)
Auch ihrem eigenen Buch kommt Judith Wolfsberger wieder näher. Sie weiß, es gibt eine writer’s community; auch in ihrem writer’s studio hat sie sich eine Gemeinschaft von schreibenden Frauen aufgebaut und mit dieser kann sie sich verbinden. Das bestärkt sie in ihrem Schreiben: „Diese regelmäßigen Schreibtreffs, die wir abhalten (…), dieses kontinuierliche wohlwollende Nebeneinanderschreiben, dieses Erschaffen eines gemeinsamen Schreibraumes durch unsere Anwesenheit, dieses offene, ehrliche und unfehlbare freundliche Reden über Schreibprozesse, das gegenseitige Friendly Feedback auf unsere Texte, genau das ist schon meine feministische Schreibpraxis!“ (S. 262)
Fazit
Mit diesem Buch hat mich Judith Wolfsberger auf eine Reise mitgenommen. Ich bin auf Spuren gewandelt, doch nicht auf Virginias, wie es der Untertitel des Buches vermuten lässt, sondern auf Judiths Schreibspuren. Ich habe sie begleitet auf der Suche nach ihrem Schreiben, ihrem Schreibraum, ihrem Schreibmut und ihr dabei zu gesehen, wie ihr Buch entstanden ist. Sie selbst sagt, dass sie in ihrem Buch „einen Spagat zwischen Wissenschaft und autobiografischem Erzählen, zwischen Fragen zur Frauengeschichte und Schreibmethodik“ hinlegt. Sie hat „es in weiblichen Schreibräumen konzipiert, geschrieben und vielfach überarbeitet, unterstützt über all die Jahre hinweg durch Schreib-Workshops, Schreibtreffs, Feedbackrunden und talking circles, in Vernetzung mit vielen Frauen und einigen alliierten Männern. Dieses Buch ist nicht in Abkapselung von der Welt entstanden, wie es dem Genie-Mythos entsprechen würde, sondern eingebettet in die Fülle und die ups and downs des Lebens als Berufstätige, Freundin, Ehepartnerin, Mutter und alleinstehende Frau.“ (S. 282)
Seit jenem Mai 2018 beschäftigt mich das Buch, habe ich es mehr als einmal gelesen, habe es zur Hand genommen, besondere Stellen gelesen und mich inspirieren und ermutigen lassen. Judith hat mich dazu verführt, mein Schreiben wieder einmal neu zu betrachten, meinen Mut zu sammeln und meine Stimme aufs Papier fließen zu lassen, als Frau, Mutter, Freundin, Dozentin, Coachin, Leserin, Autorin.
Ich kann Ihnen dieses Buch nur ans Herz legen,
Ihre Nora
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