Auf ins virtuelle Schreib-Camp!
Es ist April, liebe Schreibende! Es wird geschrieben, viel oder wenig, auf jeden Fall zusammen im CampNaNo, einem Ort, an dem man Gemeinschaft erleben kann und wo jede Geschichte zählt. In bedrückenden Zeiten genauso wie in Wohlfühlzeiten. Isabelle Allende sagte einmal, wir sollten darüber schreiben, was nicht verloren gehen soll. Es braucht also unsere Geschichten, unsere Stimmen. Und so haben auch Jana und ich virtuell unser Zelt bezogen. Im Gepäck haben wir unseren Roman und das Ziel, diesen Roman zu überarbeiten, zu ergänzen und neu zu schreiben. Uns geht es besonders darum, unsere Figuren und den Plot weiterzuentwickeln. Ja, weiterzuentwickeln, denn wir haben schon einen ersten Entwurf geschrieben und machen spannende Erfahrungen mit der Reihenfolge der Figurenentwicklung, des Plottens und Schreibens. Und zwar anders als gemeinhin in Ratgebern empfohlen wird. Und weil sich das für uns so aufregend und stimmig anfühlt, erzählen wir hier darüber. Vielleicht ist das ja auch ermutigend für Dich?
Wo stehen wir gerade?
Im November 2021 haben Jana und ich den Schreibmonat und das Roman-Schreiben ganz neu für uns entdeckt. Ich hatte zuvor schon 7-Mal am November NaNoWriMo teilgenommen und dabei auch vier Romane angefangen. Zwei Mal ist es mir dabei auch gelungen, die 50000 Wörter zu erreichen und der Geschichte ein Ende zu geben. Das Überarbeiten ist mir bis heute noch nicht gelungen. Die ersten Versuche schlummern auf meiner Festplatte. Aber diesmal nicht, da mach ich es anders. Denn diesen April werde ich auch hier neue Erfahrungen mit Jana zusammen machen.
Was zuvor geschah
Im November waren wir frei in unsere Geschichte gesprungen. Wir haben in einem gemeinsamen Dokument geschrieben. Anfangs hat sich jede von uns für zwei Figuren verantwortlich gefühlt. Irgendwann hat sich das aber erledigt, und wir haben die Szenen geschrieben, auf die wir gerade Lust hatten. Und dann hat es sich ergeben, dass eine von uns auf der einen Ebene der Geschichte und die andere auf der anderen Erzählebene geschrieben hat. Mit der Kommentarfunktion haben wir uns Feedback gegeben und Ideen geteilt. Zwischendurch haben wir uns manchmal besprochen, was die Figuren noch erleben sollten. Und natürlich haben wir uns jeden Abend den neuen Stand der Wortzahl geschickt. Und in dieser Zeit waren wir richtig in unsere Geschichte eingetaucht. Uns ist es passiert, dass wir tagträumend einkaufen waren und aus Versehen die Lieblingssüßigkeiten unserer Protagonistinnen mit nach Hause gebracht haben. Oder uns ist auch mal auf dem Weg irgendwohin spontan eine Szene, eine Begründung, ein Dialogstück eingefallen, was wir schnell der anderen per Kurznachricht geschrieben haben, damit es nicht verloren geht und weil es uns gerade so begeistert hat.
Und dann? Figurenentwicklung und Plotten nachträglich
Die Geschichte hat sich in unserem Dokument ausgebreitet. Über 80 Seiten lang, noch nicht mal als Normseite formatiert. Die Figuren sind zum Leben erweckt, es haben sich noch einige hinzugesellt. Die Erlebnisse der Figuren waren teilweise überraschend, es gibt Lücken in der Handlung, manches holpert noch, an manchen Stellen können wir selbst heulen. Jetzt stehen wir vor der Herausforderung, uns mit den Figuren näher zu beschäftigen, die Handlung zu durchstöbern und daraus einen runden Roman zu machen. Nun wandeln wir uns von Drauflos-Schreiberinnen zu Plannerinnen und Versionen-Schreiberinnen. Überwältigt von dem Erlebnis haben wir bereits angefangen, uns unseren Figuren zu nähern, indem wir ganz klassisch einen Steckbrief von Ihnen angelegt haben. Dazu haben wir uns von verschiedenen Ratgebern, besonders aber vom nanowrimo Prepping-Workbook und nanowrimo Videos inspirieren lassen und folgende Punkte für die Hauptfiguren notiert:
Protagonisten: Die großen 3 Fragen:
- Was will die Figur mehr als alles andere in der Welt?
- Worin muss die Figur als Person wachsen? (Muss nicht identisch mit 1. sein)
- Welche inneren und äußeren Probleme stehen im Weg?
5 Situationen, um die Figur noch zu vertiefen
- Wie verhält sich die Figur, wenn sie alleine ist und sie sich unbeobachtet fühlt?
- Wie verhält sich die Figur in der Natur? Was bemerkt sie? Wie reagiert sie?
- Wie verhält sich die Figur auf einer Party?
- Wie verhält sich deine Figur, wenn Probleme auftreten?
- Wie verhält sich die Figur bei einem echten Notfall?
Roman schreiben über unseren Weg
Früher ist mir das Verfassen solcher Steckbriefe sehr schwer gefallen. Ich hatte sie natürlich schon in Roman-Ratgebern gesehen und gelesen, wie wichtig es sei, sich vorher genau mit seinen Figuren zu beschäftigen, damit später in der Geschichte alles schlüssig wird. Doch in so einem Steckbrief sind mir die Figuren nicht lebendig geworden. Ich wusste nicht, wie sie aussehen, was sie so tun, welche Körperhaltung sie einnehmen oder welche Marotten sie haben, was sie beschäftigt, wie sie auf etwas reagieren. Das war nicht greifbar. Es kam mir auch künstlich vor, das vorher festzulegen.
Doch in unserem umgekehrten Weg war das etwas anderes und hatte an manchen Stellen auch etwas erleuchtendes. Nachdem ich die Figuren schon in der Geschichte erlebt hatte, war mir viel klarer, was sie als Menschen ausmacht, wie sie ticken, wie sie reden und gehen. Daran konnte ich anknüpfen und sie noch tiefer kennenlernen bzw. weiterentwickeln.
Jana und ich hatten uns zuerst auf zwei Hauptfiguren aufgeteilt, das heißt, sie hat den Steckbrief der einen entworfen und ich den der anderen. Und im Ausfüllen des Steckbriefes sah ich wiederum Szenen vor mir und verstand, was in dem Roman geschehen muss, um zu verdeutlichen, warum sie so handeln, was sie antreibt oder wo ihre Schwächen liegen.
Und dann haben wir getauscht. Ich habe an Janas Figurensteckbrief weitergearbeitet und sie an dem von mir. Dabei sind mir Einstiegsszenen in den Sinn gekommen – so könnte unser Roman also beginnen, dachte ich. Diese ersten Szenen sind ja besonders wichtig und da kann man als Autorin auch schon einen großen Druck verspüren. Der berühmte erste Satz, diese wichtige erste Seite, die die einen in die Geschichte reinziehen soll. Und mit unserem Verfahren war der Druck einfach weg. Denn es war von Anfang klar, dass wir viel überarbeiten werden.
Und damit sind wir auch schon beim Plotten. Auch hier empfehlen viele Schriftsteller und Schriftstellerinnen und viele nanowriters im Netz, dass man das vor dem eigentlichen Schreiben macht. Das heißt, man überlegt sich einen Handlungsstrang und kann das Buch bis ins letzte Detail, in die letzte Szene hin planen. Dazu gibt es auch verschiedene Möglichkeiten und Hilfestellung wie die Heldenreise oder der 7-Punkte-Plan. Für uns hat das nicht gepasst. Auch das Plotten gehen wir einfach rückwärts an.
Und jetzt? So arbeiten wir im April an Figuren und Plot
Im April werden wir also unsere Figuren weiter aufleben lassen und dabei auch die Szenen schreiben, die uns durch die Steckbriefe eingefallen sind. Wir lesen unseren Entwurf und erstellen eine Timeline und einen Plot. Dafür übertragen wir alles aus unserem Textverarbeitungsprogramm in Scrivener (zur Motivation: Es gibt beim Camp nanowrimo 20% Rabatt, 50% gab im November fürs Gewinnen! 😉 Dabei räumen wir auf. Wir werden Szenen streichen, verrücken, ergänzen oder neu schreiben. Dabei entstehen sicher mehrere Versionen der Geschichte. Wir werden sehen. Es wird spannend. Unser Ziel ist es, jeden Tag wenigstens eine Stunde mit dem Roman zu verbringen.
Meine Tipps: Auf ins Abenteuer!
Hier also meine Tipps für diejenigen, denen es schwerfällt, die Figuren und die Handlung vorab zu planen: Schreibt Euch erst einmal in die Geschichte hinein. Stürzt Euch ins Abenteuer. Schreibt erste Szenen spontan drauflos oder nutzt den NaNoWriMo, um einfach den Plot zu schreiben. Seid neugierig, wohin sich die Geschichte entwickelt. Danach lassen sich die Figuren und der Handlungsaufbau immer noch erstellen und entwickeln.
- Schreibt!
- Schreibt nicht allein! Findet Zeltmitbewohner für die Zeit des Camp Nanowrimo oder schreibt sogar im Team gemeinsam an einer Geschichte.
- Schreibt einfach los! Stürzt euch in die Geschichten, lasst zu, dass sie sich euch zeigen und sich beim Schreiben entfalten.
- Entdeckt dabei eure Figuren und zeichnet später ein genaueres Bild von ihnen.
- Wenn ihr eure Figuren kennengelernt habt, dann schaut nochmal auf die Geschichte, auf den Plot. Was braucht es, um die Figuren in ihrer Handlungsweise und individuellen Entwicklung zu verstehen? Welche Szenen können ergänzt, überarbeitet oder sogar weggelassen werden?
- Genießt! Nehmt euch die Freiheit, das zu schreiben, was euch gerade bewegt oder tröstet. Seid bei euch und schreibt genau so, wie es gerade zu euch passt.
In dem Sinne – viel Vergnügen
Herzlich Eure Nora (und Jana)
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