Seit Wochen trauen wir uns nicht mehr an den Schreibblog. Jetzt zu schreiben, war eine Herausforderung für uns. Denn wir haben großen Respekt vor der Arbeit all der Menschen, die täglich dafür sorgen, dass wir Lebensmittel kaufen können, unsere Post und Bücher nach Hause geliefert bekommen, die unseren Müll abholen, die für unsere Strom- und Wasserversorgung verantwortlich sind, die für unsere Sicherheit sorgen, uns zum Arzt fahren, die Kinder mit Lernaufgaben versorgen, die über die verschiedenen Medien die Menschen über die Geschehnisse informieren.

Und ganz besonders finden wir die Leistung all jener Menschen, die in den Arztpraxen, Krankenhäusern, Pflegeheimen, in der Medizintechnik jeden Tag für all die erkrankten und pflegebedürftigen Menschen da sind und ganz selbstverständlich ihre Arbeit machen unter schwierigen Bedingungen, mit wenig Schlaf, viel Nervosität und Sorge. Wir haben großen Respekt vor den Freund*innen, Partner*innen und Kindern dieser Menschen, die Zuhause bleiben und sie vermissen, die den Haushalt und die Familie am Laufen halten. Diese Aufzählung könnten wir ewig so fortsetzen…

Was kann man in Zeiten von Corona schreiben?

Wir sind sehr dankbar, dass wir derzeit arbeiten können und dürfen. Schreiben spielt weiterhin eine Rolle. Aber auch unsere Arbeit hat sich in den letzten Wochen verändert. Neben der Schreibarbeit hier mit Ihnen vermitteln wir Studierenden die Grundlagen wissenschaftlichen Arbeitens, und das aktuell in Online-Seminaren. Wir regen sie an, ihre Schreibprozesse zu reflektieren und neue Schreibtechniken zu erproben, um ihre Herausforderungen beim Schreiben zu meistern. Wir hoffen, dass es den Studierenden hilft, kritisch zu denken und ihre Gedanken und Erkenntnisse in passenden Formen mitzuteilen. Wir wünschen uns, dass sie das Schreiben für ihr Studium und ihre Berufe bewusst und verantwortungsvoll nutzen können. 

Und jetzt fragen wir uns, was wir für Sie tun können. Was ist unser Beitrag in diesen herausfordernden Zeiten? Was können wir? Was können wir Ihnen geben, was Ihnen helfen mag? Es ist das Schreiben. Unsere Liebe zum Schreiben und unser Wissen über Schreibprozesse und unsere tiefe Überzeugung, dass es Ihnen in dieser Zeit eine gute Stütze sein kann. Wir wollen Sie anregen, dieser Herausforderung mit Schreiben zu begegnen und kreativ zu werden in dieser Zeit.

1. Schreiben Sie für Ihre Lieben

Eine der meist ausgesprochenen Empfehlungen dieser Tage ist wohl, dass wir nun neue Wege der Beziehung und der Bindung finden müssen und dass dazu das Schreiben von Briefen oder E-Mails gehört. Und etwas Schöneres können Sie dieser Tage tatsächlich nicht machen. Verfassen Sie Briefe oder auch liebevolle E-Mails, verschicken Sie eine Postkarte aus Ihrer Heimatstadt. Immer noch freuen sich sicherlich die meisten Menschen über einen Brief oder eine Karte, die sie unerwartet aus ihrem Briefkasten ziehen. Hier können Sie übrigens schöne Karten aus dem Norden bestellen.

Und auch für Sie kann das Verfassen eine Freude in diesen turbulenten Zeiten sein. Zum Briefe schreibenSchreiben setzen Sie sich bewusst hin, überlegen sich, was  Sie (mit)teilen möchten, wie Sie sich ausdrücken wollen, wählen achtsam Ihre Worte. Sie verlangsamen Ihre Kommunikation mit den Menschen, die Ihnen am Herzen liegen und schaffen auch noch etwas für die Ewigkeit. Der Brief kann immer wieder gelesen werden.

Also: Schreiben Sie Ihren Lieblingsmenschen. Fragen Sie, wie es Ihnen geht, was Sie brauchen. Geben Sie Ihnen das Gefühl, nicht allein zu sein. Teilen Sie mit, was Ihnen gerade hilft. Schenken Sie liebevolle Worte, lustige Anekdoten. Schreiben Sie, wofür Sie diesen Menschen danken, warum Sie sie gern haben, was Sie an Ihnen so sehr schätzen.  Noch schöner kann ein Brief werden, wenn er auf schönem Papier verfasst wurde. Nehmen Sie farbiges Papier oder verzieren Sie die Ränder. Seien Sie kreativ, wenn Sie mögen. Und wenn Sie können, legen Sie doch ein Foto oder ein gemaltes Bild mit hinein.

Wenn Sie nicht nur einen Brief an tolle Personen schicken wollen, dann probieren Sie die nächsten Ideen aus und machen Sie ein ganz persönliches Geschenk.

2. Erfinden Sie Geschichten, Märchen. Schreiben Sie Gedichte. 

Nicht nur das persönliche Schreiben kann Ihnen in den schwierigen Zeiten von Corona und Kontaktverbot helfen. Sie können auch das Schreiben von Geschichten und Gedichten ausprobieren. Dazu müssen Sie keine geborene Schriftstellerin sein. Entdecken Sie einfach die Kraft und den Zauber des Geschichtenschreibens! 

Wir haben hier ein paar spielerische Schreibübungen versammelt, die uns selbst fasziniert haben. Vielleicht können auch Sie damit etwas entspannen, für einige Minuten die Welt da draußen vergessen und in eine andere Welt abtauchen, in einen Flowzustand kommen und sich mit Ihren eigenen Worten überraschen. In einem Märchen könnten Sie zum Beispiel über Ihre aktuellste Herausforderung schreiben.

Märchen schreiben

Briefroman schreiben

Gedichte schreiben

Und wenn Sie mögen, können Sie Ihre kleine Werke auch verschenken, in einem Brief oder einer E-Mail an wichtige Menschen.

Noch mehr anregende Schreibspiele finden Sie u.a. hier und in den Büchern: „66 Schreibnächte. Anstiftungen zu literarischer Geselligkeit“ von Katrin Girgensohn und Ramona Jakob sowie „Federleicht. Die kreative Schreibwerkstatt: Wie die Kraft Ihrer Worte zur Lebenskraft wird“ von Barbara Pachl-Eberhart.

Wenn Sie gar eine schriftstellerische Herausforderung suchen, dann ziehen Sie doch im April oder Juli in ein virtuelles Schreib-Camp bei nanowrimo.

3. Schreiben Sie Tagebuch.

Treten Sie in Dialog mit sich selbst. Schreiben Sie sich in einem Tagebuch Ihre Sorgen von der Seele. Hören Sie Ihrer Angst zu, die Sie dieser Tage vielleicht umtreibt. Seien Sie achtsam mit ihr, denn sie gehört dazu und nehmen Sie sie an. Es gibt bereits viele schreibtherapeutische Untersuchungen darüber, dass das Schreiben über Sorgen, Probleme, Ängste, Gefühle insgesamt – also das Tagebuchschreiben oder auch Journaling genannt – dabei hilft, körperlich und seelisch gesund zu bleiben oder zu werden. In unserem Beitrag „‘Mein liebes Tagebuch‘ war gestern – 5 gute Gründe, warum Ihnen tägliches Schreiben hilft“ können Sie hierzu mehr lesen. Auf dem Blog „Schreiben wirkt“ von unserem geschätzten Kollegen Paul Henkel finden Sie viele Informationen und Anregungen, wie diesen Beitrag „Ängste überwinden: 7 Journaling-Impulse, die helfen“.

Doch nicht nur über Ihre negativen Gefühle sollten Sie schreiben. Schreiben Sie auch darüber, Tagebuch schreibenwas Ihnen Mut macht, woraus Sie Kraft schöpfen! Trösten Sie sich, ermutigen Sie sich. Sammeln Sie gerade in dieser schwierigen Situation die guten Momente.

Heute konnte mein Mann zu Hause bleiben. In den letzten Wochen hat er viele Überstunden gemacht. Heute ist unsere Lieblingsbuchhändlerin zu uns gekommen und hat uns Bücher und Knobelblöcke für die Kinder gebracht. Der Hildesheimer Leseladen musste schließen und kreativ werden. Seitdem können die Kunden auf verschiedenen Wegen z.B. telefonisch ihre Bücher bestellen und quatschen. (Immerhin ist ein Buchladen auch ein Ort, wo man normalerweise verweilen und sich unterhalten kann.)  Und kurze Zeit später kommt dann jemand mit einem Bücherpäckchen vorbei. Plaudern mit Sicherheitsabstand. Ein bekanntes Gesicht. Was noch? Achja, Spaziergang in der Abendsonne mit der Pudeldame. Durchatmen und Krafttanken. 

Worüber können Sie noch schreiben? Eine schöne Übung ist es, eine Liste anzulegen mit 30 Dingen, die Sie aus dieser Zeit mitnehmen oder lernen. Oder eine Liste mit 30 Dingen, die Ihnen in der Corona-Krise helfen. Schreiben Sie dazu zügig 30 Dinge auf, die Ihnen spontan einfallen. Denken Sie dabei quer und um die Ecke, seien Sie kreativ und albern. Schreiben Sie auf jeden Fall die Liste von 30 voll.

Nr. 27 Unsere Hündin ist süß. Sie zu umsorgen und zu streicheln, beruhigt mich.

Nr. 28 Ich bin dankbar dafür, dass unsere Drogerie geöffnet ist und eine ausgesprochen große Spielzeugabteilung und sogar einiges Bastelzubehör hat. Das hat sicherlich nicht nur mich, sondern auch einige andere Mütter unserer Gemeinde gefreut. Ich hab’s gleich meiner Freundin erzählt.

Nr. 29 Habe Tipps gefunden, was man tun kann, um bei Videokonferenzen vorteilhaft auszusehen. 

Nr. 30 Yogi-Tee, Obst und Joggen in der kühlen Abendluft

Und schreiben Sie darüber, was Sie können. Sammeln Sie Ideen: Womit können Sie anderen eine Freude bereiten oder helfen? Werden Sie erfinderisch und dann packen Sie es an!

4. Bleiben Sie aktiv. Kümmern Sie sich um Ihre körperliche und seelische Gesundheit. Und kümmern Sie sich um andere.

Wenn Sie die Möglichkeit haben, gehen Sie spazieren oder joggen. Kochen Sie sich etwas Gutes. Meditieren Sie, hören Sie Musik. Probieren Sie Yoga oder Autogenes Training aus. Stricken oder häkeln Sie sich einen Seelenwärmer. Gönnen Sie Ihrem Körper in den Zeiten dieser Unsicherheiten etwas Ruhe, Erholung, Ausgleich. 

Vielerorts wachsen die Gemeinschaften zusammen und Nachbarn unterstützen einander. Machen Sie mit. Helfen Sie jemandem, und seinen es nur die eigenen Kinder, die Hilfe bei den Schulaufgaben, Knobeleien oder eine Spielpartnerin brauchen. Schauen Sie auf Ihre Liste, was Sie können und wie Sie helfen können und reagieren Sie auf entsprechende Anfragen.

In unserer Gemeinde wurden Kinder dazu aufgerufen, Bilder zu malen und Geschichten zu schreiben, die dann an Senioren- und Pflegeheime übergeben werden und deren Bewohner*innen etwas Freude bereiten sollen in Zeiten, in denen Sie keinen Besuch empfangen dürfen. Machen Sie bei solchen Aktionen mit, starten Sie selbst solch eine Initiate.

Oder nähen Sie Behelfsmasken für Nase und Mund. Klar, die aus Baumwollstoff selbstgenähten Stücke können keine medizinischen Masken ersetzen. Die werden aber im Moment dringend vom Personal in Medizin und Pflege benötigt. Unsere selbstgenähten Masken dagegen können unsere Mitmenschen und uns im Alltag ein wenig schützen. Je mehr Menschen welche tragen, umso mehr wird die Übertragung des Corona-Viruses erschwert. Tipp: Staubsaugerbeutel haben die beste Wirkung gegen Viren. Im Netz finden Sie viele Anleitungen und Hinweise, was Sie beim Aufsetzen und Tragen beachten müssen.

Nachdem ich ein Foto meines Prototypen in eine Freundinnengruppe geschickt hatte, kam eine Anfrage, ob ich für die Diakonie noch ein paar mehr nähe. Schon stand eine Kiste Stoff vor meiner Tür. Da hab ich nun ein paar Tage zu tun und die Kinder können beim Zuschneiden helfen. 

5. Lesen Sie – am besten ein schönes Buch.

Lesen hilftWenn Sie nach solch aufregenden oder angespannten Tagen etwas Ruhe suchen, dann schnappen Sie sich ein schönes Buch. Denn nicht nur Schreiben wirkt. Auch Lesen. Indem wir in fremde Wörterwelten abtauchen, können wir die Welt für einen Moment draußen lassen, wir können mit den Heldinnen mitfiebern, wir sind gefordert, uns Dinge vorzustellen, Fragen auszuhalten und ein offenes Ende zu akzeptieren oder weiterzudenken. Es fördert unser Einfühlungsvermögen und unsere Kreativität. Gleichzeitig entspannen sich die Muskeln, Stress wird abgebaut. Allein schon 6 Minuten lesen reichen aus, damit sich dieser entspannte Zustand einstellt. Empfohlen werden 30 Minuten am Tag.

Wir sind auf dieses schöne Buch aufmerksam geworden: „Lesende Frauen. Anmut und Verzauberung“ von Sabrina Melandri. Nach ein paar persönlichen Lektüre-Erfahrungen der Autorin, findet man darin Listen mit Buchempfehlungen zu verschiedenen Themen, z.B. „Zehn Romane mit dem gewissen Etwas, die zu entdecken sich lohnen“ oder „Zehn phantastische Romane für Ausflüge in andere Welten“ oder auch „Zehn Bücher, die Erwachsene noch einmal lesen sollten“, im hinteren Teil auch „Keine Angst vor Weltliteratur“. Daran schließen sich lauter Listen an, die man selbst ausfüllen und dann ‚abarbeiten‘ kann, z.B. „Bücher, die mich zutiefst berührt haben“, „Bücher die ich unbedingt mehrmals lesen will“ oder „Empfehlungen von Freundinnen und Freunden“ oder auch „Gedichte, die ein Gefühl in mir geweckt haben“. Es gibt weiter Platz für eigene Lektüregedanken, das persönliche „Lese-Tagebuch“. Dieses Buch ist auch deshalb so besonders, weil es ganz bezaubernd gestaltet ist mit Zitaten und mit Bildern lesender Frauen von verschiedenen Künstler*innen.

Viele Klassiker und neuere und auch Weltliteratur gibt es übrigens bei Reclam als Studienausgabe günstig zu erwerben, zahlreiche Klassiker bekommen Sie als E-Books sogar kostenlos. Und auf der Homepage des Projekts  Gutenberg Spiegel finden Sie um die 10.000 Texte deutscher Autor*innen online.

6. Reden Sie.

Wenn Sie merken, dass sich Ihre Gedanken im Kreis drehen, dann suchen Sie sich Reden hilftGesprächspartner. Telefonieren Sie mit vertrauten Personen, mit Freunden, mit Familienmitgliedern. Oder wenden Sie sich an eine*n professionelle*n Therapeut*in. Viele bieten aktuell Gespräche per Telefon oder Videokonferenz an.

Bleiben Sie gesund und passen Sie gut auf sich auf!

Wir grüßen Sie herzlich, Ihre Nora und Jana

PS: Wenn Sie das Journaling ausprobieren möchten, aber kein Notizheft zu Hause haben und an keines rankommen, dann binden Sie sich eines. Eine einfache Anleitung finden Sie hier. Sie können auch Ihre Märchen-Geschenke oder kleine Gedichthefte auf diese Weise anfertigen. Brauchen Sie noch schönes Papier für diese Hefte oder als Briefpapier, dann finden Sie hier ein paar kreative Ideen für besondere Papiere. Die können Sie sogar mit Kindern gemeinsam gestalten. So haben Sie gleichzeitig eine kreative und zuweilen auch matschige-spaßige Beschäftigung für die ganze Familie.