biografisch schreiben

Warum es für dich wertvoll ist, deine Autobiographie zu schreiben

„Es sollte doch nicht jeder ein Buch schreiben“, sagte ein Bekannter zu mir, als ich mit ihm darüber sprach, warum ich autobiographisches Schreiben coache. Meine kurze Antwort an ihn lautete: „Darum geht es am Ende überhaupt nicht.“ Meine ausführliche Antwort möchte ich hier teilen. Autobiographisches Schreiben ist mehr als ein Buch über sein eigenes Leben zu veröffentlichen.  Es ist das Leben aus der eigenen Sicht erzählt. Und es erscheint in verschiedenen Formen: der autobiographische Roman, das Memoir, der persönliche Essay, Anekdoten oder auch Erinnerungen verdichtet in Lyrik. Doch egal welche Form eine Autobiographie annimmt, autobiographisches Schreiben ist vor allem ein kraftvolles und kreatives Werkzeug, das mehr bewirkt als Erinnerungen festzuhalten. In diesem Blogbeitrag möchte ich erklären, warum ich Menschen anrege, heute mit dem autobiographischen Schreiben zu beginnen. 

 

autobiographisches Schreiben – zuerst für sich selbst

Gefühle und Erlebnisse verarbeiten 

Der wichtigste Grund ist für mich die Person selbst, die schreibt. Autobiographisches Schreiben ist für mich ein Weg, mich mit mir auseinanderzusetzen und mein Leben zu reflektieren. Meine Lebensgeschichte aufzuschreiben, lässt mich schwarz auf weiß sehen, welche Erfahrungen ich gemacht und welche Entscheidungen ich getroffen habe. Das Schreiben hilft mir, diese Erlebnisse mit Abstand zu betrachten. Dadurch habe ich auch die Möglichkeit, diese Erlebnisse zu verarbeiten.

Das autobiographische Schreiben kannst du also für dich nutzen, um unangenehme, krisenhafte Erlebnisse durchzuarbeiten und zu verstehen, was das mit dir gemacht hat. Im Schreiben versuchst du Worte für das Erlebte zu finden und dem ganzen einen Ausdruck zu geben. Das hilft dir dann wiederum, Trauer, Schmerz und andere intensive Gefühle zu bewältigen und inneren Frieden zu finden. Liest du dir das Geschriebene durch, befindest du dich schon in einer Art Vogelperspektive. Du siehst auf dein Leben mit einem anderen Blick und gewinnst Abstand zu den Ereignissen und auch zu den damit verbundenen Gefühlen. 

Verschiedenste wissenschaftliche Studien weisen genau diese Wirkung des Schreibens nach. Ein der bekanntesten Wissenschaftler in diesem Bereich ist James Pennebaker und seine Studien zum expressiven Schreiben. 

Sich selbst erkennen

Ebenso kannst du im autobiographischen Schreiben viel über dich lernen. Du kannst Muster in deinem Leben erkennen oder sehen, wo deine Stärken liegen. Dein Leben liegt in der Autobiographie vor dir und du siehst, welche Krisen du schon bewältigt hast und wie deine persönliche Entwicklung verlaufen ist. Es verschafft dir Klarheit über deine Persönlichkeit und all die Aspekte, die einfach zu dir gehören und dich zu dem Menschen machen, der du bist. Mit der Klarheit kann auch ein veränderter Blick auf dich selbst entstehen. Siehst du dein Leben in einem größeren Zusammenhang, so werden manche Anteile von dir viel verständlicher und du kannst dich so annehmen, wie du bist. Dem Schreiben wird hier eine identitätsstiftende Wirkung nachgesagt. 

Angenehme Gefühle wiederbeleben

Was in deiner autobiographischen Geschichte Platz findet, entscheidest ganz du selbst. Du schreibst deine Geschichte. Und dabei darfst du all die Erinnerungen hervorholen, die dich zum Lachen bringen, für die du dankbar bist oder in dir nostalgische Gefühle hervorrufen. Besonders schön ist es doch, über all die wundervollen Ereignissen zu schreiben, die uns intensiv in Erinnerungen schwelgen lassen. Immer wieder erlebe ich es bei mir selbst und erfahre es in meinen Schreibkursen, wie man beim Schreiben über positive Erlebnisse die damit verbundenen Gefühle wie Heiterkeit, Hoffnung, Ehrfurcht oder Liebe erneut durchlebt. Ich kann es dann sogar richtig körperlich spüren. Nutze also das autobiographische Schreiben dafür, schöne Erlebnisse neu zu beleben. 

autobiographisches Schreiben – sich mit anderen verbinden

Familie neu erleben

Wenn wir schon dabei sind, über die nostalgischen Momente des Lebens zu schreiben, halten wir wahrscheinlich die eigene Familiengeschichte lebendig. Ich finde es okay, wenn wir dabei auch Dinge verklären und sie ganz aus unserer Sicht erzählen. Deine Sicht ist auch ein Teil deiner Familiengeschichte. Und wenn du sie im autobiographischen Schreiben festhältst, geht sie nicht verloren. Sie kann sogar weitergereicht und mit anderen Familienmitglieder geteilt werden. So öffnest du vielleicht Türen, um sich über die Familiengeschichte auszutauschen und die verschiedenen Sichtweisen der einzelnen Menschen deiner Familie zu erfahren. Dein Bild eurer Familie kann sich erweitern und damit bist du wieder auf dem Weg, mehr über dich zu erfahren.

Gemeinschaft finden

Kein Schreiben muss allein geschehen. Auch das autobiographische Schreiben eignet sich hervorragend dazu, sich in einer Schreibgruppe hier aber irgendwann einen eigenen Blogbeitrag haben] zu finden und gemeinsam an den eigenen Lebensgeschichten zu schreiben. In einer Schreibgruppe kannst du dich mit den anderen austauschen, worüber du schreiben kannst und wie du dabei vorgehen könntest. Ihr könnt auch zusammen verschiedene Textformen ausprobieren und gegenseitig euer Publikum sein. Hier findest du einen geschützten Raum, um deine autobiographischen Texte anderen vorzulesen und dich auch von den anderen inspirieren zu lassen. 

Fängst du an, deine Lebensgeschichte in einer Schreibgruppe zu teilen, entwickelt sich ein Gefühl der Zugehörigkeit. Eine eigene kleine Gemeinschaft bildet sich. Denn es ist wahnsinnig schön, sich mit anderen über die Freude beim Schreiben auszutauschen. Tiefere Beziehungen und ein Verständnis füreinander können entstehen. Ebenso kann eine Schreibgruppe Halt bieten, regelmäßig an deiner Autobiographie zu schreiben und dich auch Themen zu stellen, denen du bislang aus dem Weg gegangen bist. 

Andere inspirieren 

Gerade diese nicht immer angenehmen Ereignisse in unserem Leben sind Geschichten, die anderen Menschen helfen oder sie inspirieren können. Wie oft hast du schon eine Geschichte von einer Person gelesen, die dich angeregt hat, dein Leben neu zu denken, oder dir geholfen hat, eine schwierige Zeit durchzustehen? So wie du dich von anderen Autobiographien inspirieren lassen kannst, kann doch auch deine Geschichte auf andere Menschen positiv wirken. Teilst du autobiographische Erlebnisse und gewährst anderen einen Einblick in deine Erfahrungen und Gefühle, kannst du ihnen Mut schenken. Mit dem autobiographischen Schreiben baust du einen Brücke zu anderen Menschen, sie können sich in dir wieder erkennen oder sich mit dir verbunden fühlen. Gerade Autobiographien zeigen uns, dass wir nicht allein mit unseren Erfahrungen oder Gefühlen sind. Hier ist mittlerweile das Memoir besonders beliebt geworden. Eine Buchform, in der nicht das komplette Leben einer Person geschildert wird, sondern in der Menschen über bestimmte Erfahrungen erzählen. Oft liegt darin der Wunsch, sich mit anderen Menschen über ein geteiltes Schicksal oder über ein gemeinsames Thema zu verbinden. Ein berühmtes Beispiel ist Hape Kerkelings „Ich bin dann mal weg“. In unserem Bücherregal findest du auch eine Rezension zum Memoir von Judith Wolfsberger.

 

autobiographisches Schreiben – gesellschaftliches Zeitgeschehen festhalten 

So wie du mit deiner Lebensgeschichte eine Verbindung zu einzelnen Menschen herstellst, so verbindest du dich auch mit der Weltgeschichte. Du bist ein Teil dieser Welt und der menschlichen Erfahrung. Mit dem autobiographischen Schreiben trägst du dazu bei, gesellschaftliche und kulturelle Ereignisse und Kontexte festzuhalten. Deine Geschichte zählt zum kulturellen Gedächtnis und bleibt sie im Text verewigt, dokumentierst du die Lebensweise, die Herausforderungen und auch Erfolge deiner Generation. 

Gerade persönliche Eindrücke und Erzählungen tragen dazu bei, historische Ereignisse lebendig zu halten, die Erinnerung daran zu wahren und sie vor dem Vergessen zu bewahren. Auch wenn du nur deine Geschichte erzählen und gesellschaftliche Ereignisse aus deiner Sicht wiedergeben kannst, erschaffst du damit ein Puzzle-Teil des Gesamtbilds. 

 

autobiographisches Schreiben – lebe deine Kreativität

Wie ich oben schon geschrieben habe, geht es mir beim autobiographischen Schreiben aber nicht darum, dass wir alle nun ein Buch veröffentlichen und unsere Lebensgeschichte mit der ganzen Welt teilen. Es startet bei der eigenen Person und ist immer begleitet von Kreativität. Autobiographisches Schreiben ist ein Weg, sich kreativ auszutoben. 

Schreibe so oft wie möglich, über dich und dein Leben. Lege dir autobiographische Notizen an, halte Anekdoten deines Lebens fest. Diese gesammelten Schnipsel oder Texte können der Ausgangspunkt vieler anderer Geschichten sein. Nimm dir ein Erlebnis aus deinem Leben und schreibe daraus eine Kurzgeschichte. Verdichte deine Gefühle in einem Rondell oder einem Elfchen. Erschaffe ein paar Haikus über deine Lieblingsorte. Kreiere aus deiner ersten Liebe, einen Liebesroman oder ein Märchen. Oder nutze die Gefühle und verarbeite sie in Bildern, erschaffe Skizzen zu deinen Erlebnissen. Unser Leben bietet so viel Stoff. Im autobiographischen Schreiben kannst du dich einfach erstmal ausprobieren, ohne ständig auf der Suche nach neuen Ideen zu sein. Dein eigener Fundus an Inspiration.

 

Fazit

Autobiographisches Schreiben ist mehr als nur das Niederschreiben von Erinnerungen; es ist ein Werkzeug der Selbstentdeckung und der Heilung, der Inspiration und Kreativität. Wir können damit zum kulturellen Erbe beitragen oder unsere Familiengeschichte weitergeben. Auf jeden Fall verbinden wir uns mit anderen Menschen, ob in unseren Geschichten oder in Schreibgruppen. 

 

Dein Start ins autobiographische Schreiben

Mach dir die Kraft des autobiographischen Schreibens zu nutze und nimm den Stift in die Hand. Du könntest zuerst mal dein Leben in Kapitel einteilen:

a) Dafür kannst du dein Leben in 5 oder 10 Jahres Schritte unterteilen. Diese Abschnitte sind deine Kapitel. 

b) Oder du beginnst immer ein neues Kapitel mit einem Umbruch oder Einschnitt in deinem Leben. So ein Einschnitt wäre zum Beispiel die Einschulung. Dann wieder der Schulwechsel auf die Oberschule. Die erste Liebe oder der erste Liebeskummer. Ausbildung. Der erste Job.

Nachdem du dein Leben in einer der zwei Varianten eingeteilt hast, verfasst du passende Überschriften zu den Kapiteln. Dazu wählen wir hier eine mittlerweile sehr beliebte Art von Überschriften, sowohl für Kapitel als auch Buchtitel.

Bücher, beide von Jonas Jonasson:

Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand

Der Massai, der in Schweden noch eine Rechnung offen hatte

 

Buchkapitel aus Reißaus mit Krabbenbrötchen von Silke Schlichtmann:

– Erstes Kapitel, in dem Schippo mir die Langeweile erklärt, die Krabbenbrötchen warten müssen und das Schlimmste erst noch kommt

– Elftes Kapitel, in dem ich Riesenangst habe, Schippo die Ruhe bewahrt und wir Koplawu, Commotio und die Hallo-Hallo-Frau kennenlernen

Buchkapitel aus Mein Urgroßvater und ich von James Krüss:

– Der sechste Tag, an dem herauskommt, dass die Seeleute unsere Gedichte zu einem Beiboot verarbeiten und nicht einmal ein schlechtes Gewissen haben. Zeigt die Entstehung von Spitznamen. Spricht vom Übersetzen und der Unordentlichkeit gewisser Seeleute. Gibt bekannt, dass mein Urgroßvater am folgenden Tag 85 Jahre alt wird.

 

Mein Kapitel zur Grundschulzeit könnte zum Beispiel so heißen: Die Zeit, die mit Tränen wegen viel zu kurzer Haare beginnt und mit dem Mut zu Schlaghosen endet

Viel Freude im Erkunden deiner Biographie und beim Verfassen deiner Lebensgeschichte 

Nora

 

Wenn du intensiver an deiner Biografie schreiben möchtest und dabei eine persönliche Begleitung suchst, schau dir gern mein Angebot an. Hier erkläre ich genau, wie du dir so ein Coaching vorstellen kannst: https://www.schreibdrueber.de/caoching-biografisch-schreiben