Gemeinsamkeiten zwischen literarischem und wissenschaftlichem Schreiben.

Wissenschaftliches Schreiben oder sachliches Schreiben generell wirkt anstrengend, man muss viele schwere Fachtexte lesen, sich an Regeln halten, es ist langweilig und macht keinen Spaß und obendrein wird es oft bewertet. Kreatives Schreiben aber macht Spaß. Man kann mehrdeutig und verschlüsselt schreiben und seine kreativen Einfälle aufs Papier fließen lassen. Okay, es kann dir auch genau umgedreht gehen. Die Frage ist nun: Wie kann man das eine fürs andere nutzen? Wie kann man zum Beispiel die ganzen positiven Erfahrungen mit dem kreativem Schreiben nutzen, damit das wissenschaftliche Schreiben irgendwie leichter, strukturierter und motivierender wird? Darum geht es in diesem Blogbeitrag.

Ich zeige dir hier, welche Gemeinsamkeiten zwischen dem kreativen Schreiben und dem wissenschaftlichen Schreiben bestehen und was du vom kreativen fürs wissenschaftliche Schreiben mitnehmen kannst. Folgende Punkte sind wichtig: 

  • Der Schreibprozess – die wesentliche Gemeinsamkeit
  • Das Publikum, dein Ziel und die Kommunikationssituation
  • Glaubhaft und überzeugend schreiben
  • Jedes Schreiben braucht Recherche oder eine Analyse
  • Literarisches Schreiben und wissenschaftliches Schreiben sind kreativ
  • Warum sich beide Schreibformen lohnen und dein Schreiben voranbringen

Wie es zu meinen Überlegungen kam

Im Frühjahr 2025 darf ich an der SRH im Studiengang Kreatives Schreiben und Texten das wissenschaftliche Schreiben unterrichten. Diese Studierende lieben das Schreiben. Und doch werde ich mich einer Herausforderung stellen müssen: Wie bei vielen Studierenden löst das wissenschaftliche Schreiben auch bei diesen Studierenden Unbehagen aus, obwohl sie das kreative Schreiben, das literarische Schreiben eigentlich mögen. Wissenschaftliches Schreiben mit all den Regeln und Vorgaben kann einengend und als schwere Arbeit empfunden werden. In Vorbereitung auf das Seminar an der SRH habe ich mir überlegt, wie kann ich die Liebe zum Schreiben dieser Studierenden nutzen. Wie schaffe ich es, ihre Hemmungen vor dem wissenschaftlichen Schreiben abzubauen und in ihnen sogar etwas Freude daran hervorzurufen? Als Dozentin möchte ich immer mit den Stärken der Lernenden arbeiten und den Fokus darauf legen, sie positiv zu motivieren, ihre Erfahrung zu nutzen.

Der Schreibprozess – die wesentliche Gemeinsamkeit

Betrachtet man den Prozess hinter jedem Schreiben, so kann man feststellen, dass das Verfassen eines Textes immer in drei ähnlichen Phasen abläuft. 

1. Phase: Jeder Text startet mit einer Idee bzw. einer vagen Vorstellung. Schon hier beginnt der Schreibprozess, denn man beginnt sich auf den Text vorzubereiten, indem man die Idee konkretisiert, sich erste Gedanken über die Struktur macht, ergründet und recherchiert, was alles in der Idee steckt. 

2. Phase: Sind die ersten Überlegungen gereift, geht man dazu über, Ideen, Gedanken und Wissen in einen Text zu übersetzen. Nun geht es darum, alles auszuformulieren und die Inhalte des Romans oder einer wissenschaftlichen Arbeit zu Papier zu bringen. Hierbei können die unterschiedlichen Schreibtechniken genutzt werden, mit denen man auf unterschiedlichen Wegen seine Gedanken konkretisiert, ordnet und neue Ideen formuliert.

3. Phase: Ist das Wesentliche zu Papier gebracht, kann der Text mit Blick auf die Leserschaft und die eigene Aussageabsicht überarbeitet werden. Jedes Schreiben endet damit, den Text noch einmal genau zu lesen und die endgültige Form und den sprachlichen Ausdruck zu finden.  Gerade das Überarbeiten des Textes bringt sowohl beim wissenschaftlichen als auch beim literarischen Schreiben noch mal mehr Klarheit.

Journalingimpuls: Wie gehst du beim literarischen Schreiben vor? Wie gestaltest du die einzelnen Phasen? Womit fühlst du dich wohl? Was kannst du dabei schon richtig gut, was dir auch beim wissenschaftlichen Schreiben nützlich sein kann? 

Wenn dir das noch zu abstrakt ist, lies gern unseren Blogbeitrag zum Thema Schreibstrategien: „5 Wege, um tolle Texte zu schreiben“.

Das Publikum, dein Ziel und die Kommunikationssituation

Wenn du einen wissenschaftlichen oder literarischen Text schreibst, dann richtest du dich damit an ein Publikum und verfolgst ein Ziel. Der Text ist nicht nur für dich privat gedacht, sondern ist Teil einer Kommunikationssituation, an der du teilnimmst und bei der du etwas bei deinem Publikum erreichen möchtest.

So kann es bei einem Roman darum gehen, ein Gefühl zu vermitteln, zu berühren, nachdenklich zu machen oder eine eigene Lebenserkenntnis in eine Geschichte zu verpacken. So eine Grundidee eines Romans könnte zum Beispiel sein: Wahre Freunde erkennst du in der Not.

Auch bei einem wissenschaftlichen Artikel gibt es so eine Art Botschaft oder eine Idee. Man will beispielsweise brennende Fragen beantworten oder auf Probleme aufmerksam machen. 

Jede Kommunikationssituation hat eigene Regeln, die vor allem auf Leseerwartungen und Lesegewohnheiten beruhen. Das bedeutet, du musst dir darüber klar sein, wer dein Publikum ist, welche Erwartungen es hat und an welche Regeln du dich deshalb halten solltest. Beim wissenschaftlichen Schreiben können das Erwartungen an den Textaufbau, an Zitierweisen und die Fachsprache sein. Bei einem Roman erwarten die Lesenden je nach Genre z.B. magische Welten und eine epische Heldenreise in einem Fantasyroman, Missverständnisse und ein Happy End bei einer romantischen Komödie, eine eigenwillige Ermittlerfigur bei einem Kriminalroman.

Journalingimpuls: Für wen schreibst du? Was willst du bei deiner Leserschaft erreichen? Welche Erwartungen möchtest du erfüllen? Was bedeutet das für deinen Text in Bezug auf Struktur, Inhalt und Sprache.

Glaubhaft und überzeugend schreiben

Sein mögliches Publikum zu kennen oder eine Vorstellung von ihm zu haben, hilft auch dabei, glaubhaft zu schreiben. Dieser Punkt ist tatsächlich für beide Schreibformen besonders wichtig. Nur wenn ich glaubhaft schreibe, also nachvollziehbar, kann ich mit meinem Text überzeugen. 

Im wissenschaftlichen Bereich ist das vielleicht einfacher vorstellbar. Ausgangspunkt einer wissenschaftlichen Arbeit ist ein Problem, das gelöst werden soll oder eine Frage, auf die eine Antwort gesucht wird. Um glaubhaft und überzeugend schreiben zu können, stützt man den eigenen Erkenntnisweg auf bisherige Forschungserkenntnisse. Damit kann man z.B. eine schlüssige Argumente aufbauen, eine praktikable Lösung entwickeln, eine begründete Antwort und Schlussfolgerung formulieren.

Auch bei einem Roman braucht man diese Glaubhaftigkeit, um mit der Geschichte zu überzeugen. Bei einem Krimi zeigt sich das meist besonders gut. Wenn dort ein Kriminalfall gelöst werden muss, dann braucht es Spuren, die zum Täter oder zur Täterin führen und ein Motiv hinter der Tat. Wenn man als Autor*in hier nicht gut begründen kann, warum eine Person das Verbrechen begangen hat und es deren Entscheidungen für die Leserschaft nicht nachvollziehbar sind, dann überzeugtider Krimi nicht. 

Journalingimpuls: An welchen Stellen in deinem Text ist es besonders wichtig, glaubhaft zu sein? Wovon sollten deine Leser*innen überzeugt sein? Was brauchst du, um in deinem Text die Glaubhaftigkeit zu sichern?

Jedes Schreiben braucht Recherche oder eine Analyse

Vom wissenschaftlichen Schreiben ist bekannt, dass diese Texte eine gute Recherche von vorhandenen Studien und Theorien sowie eine genaue Analyse von Texten und Daten benötigen. So gehört zum wissenschaftlichen Schreiben das Lesen und Notieren selbstverständlich dazu.

Doch auch für einen Roman muss recherchiert werden. Man muss reale Orte historisch korrekt darstellen können (Wann wurde eine Straße oder ein Bahnhof umbenannt? Gab es jenes Gebäude, jene technische Erfindung, jene Währung oder Gesetze zu der Zeit schon?) Man muss Orte auch physisch, geografisch korrekt darstellen (Welche Pflanzen und Tiere leben dort? Unter welchen Bäumen kann jemand verweilen? Wie ist das Wetter, welche Kleidung braucht meine Figur?). Für einen Krimi muss man wissen, wie die  Polizei arbeitet, um ein Verbrechen aufzuklären. Eine gute Vorbereitung und Recherche ist gerade für überzeugende Romane wichtig. 

Zwei Negativbeispiele, die mir begegnet sind:

1. So ging es mir zum Beispiel bei dem Buch Tschick so, dass mir am Anfang ein Fehler aufgefallen ist und ich deshalb die ganze Geschichte mit einer gewissen Skepsis gelesen habe. Ich konnte mich dann nicht mehr so gut auf das Buch einlassen, da ich fand, der Autor hat hier einen Fehler eingebaut, der sehr leicht hätte vermieden werden können, wenn sich der Autor vorher gründlicher informiert hätte. Der Punkt, der mich tatsächlich etwas geärgert hat: Die Geschichte von Tschick spielt in Berlin Marzahn-Hellersdorf. Die Hauptfigur ist in der 7. Klasse eines Gymnasiums und erzählt, dass er schon seit 2 Jahren für ein Mädchen aus seiner Klasse schwärmt. Nun ist es so, dass in Berlin der Schulwechsel auf die Oberschule nach der 6. Klasse erfolgt. In der 7. Klasse ist man also neu in einer Klasse zusammen. Der Autor des Buches kommt aus Hamburg und dort wird, wie in vielen Bundesländer, die Schule bereits nach der 4. Klasse gewechselt. In diesem Setting wäre es also nachvollziehbar, dass der Junge der Geschichte seit 2 Jahren für seine Klassenkameradin schwärmt. Für mich als Berlinerin ist das aber unlogisch. 

Ja, das mag nur ein winziges Detail sein. Und doch hat es mich beim Lesen beeinflusst. 

2. Ich liebe die Krimi-Reihe auf den Scilly-Inseln von Kate Penrose und doch stieß ich im 7. Band Tödlich rauscht die Brandung auf etwas, das mich verwirrt und auch geärgert hat. Der ermittelnde Kommissar ist Vater geworden. Sein Sohn ist im Buch gerade mal 3 Monate alt. Es wird erzählt, wie der Vater das Baby mit seinen drei Monaten auf den Schultern trägt, es in einem Buggy sitzt und die Umwelt wahrnimmt. Das ist physiologisch nicht möglich. In dem Alter können Babys noch gar nicht sitzen. Sie können geradeso auf dem Bauch liegen und ihr Köpfchen für einige Zeit halten. Ab etwa 6 Monaten können Babys im Buggy sitzen, vollständig alleine sitzen können Babys erst etwa ab dem 9. Monat ihres Lebens, weil erst dann die Muskulatur und motorische Stabilität und Kontrolle ausgebildet ist. Auch nehmen sie ihre entferntere Umwelt erst ab etwa ihrem 7. – 8. Monat wahr. Mit drei Monaten schauen sie die Gesichter der nahen Personen an und bemerken sich bewegende Gegenstände. Das war’s. Außerdem habe ich in dem Krimi lesen dürfen, dass das Baby inzwischen schon durchschläft. Auch das ist eher eine Wunschvorstellung. Besonders die ersten drei Monate sind für Babys und deren Eltern eine aufregende und anstrengende Zeit. Deshalb hat mich dieser Krimi mit meinen eigenen Erfahrungen als Mutter nicht überzeugt. Diese Infos findet man durch eine einfache Recherche.

Literarisches Schreiben und wissenschaftliches Schreiben sind kreativ

Das literarische Schreiben wirkt auf den ersten Blick sehr kreativ. Wenn man eine Idee hat, dann schreibt man drauflos und entwickelt spannende Figuren, schreibt Dialoge, man erfindet Szenen und Handlungen bis hin zu ganzen Welten. Das klingt nach einem sehr freien und kreativen Prozess, bei dem die Fantasie nur so übersprudeln kann. Doch auch hier gibt es gewisse Regeln, an die ich mich halten muss. Dazu zählen u.a. die Aspekte für eine glaubhafte Geschichte. Hinzu kommt, dass die gewählte Erzählperspektive und Erzählzeit korrekt eingehalten werden, man sich an die Regeln der gewählten Sprache halten und im besten Fall auch Leseerwartungen erfüllen oder damit kokett spielen muss, etwa bei der Gestaltung von Dialogen, dem Aufbau von Szenen, der Erzeugung von Spannung, Plot-Twist und Auflösungen.

Das wissenschaftliche Schreiben dagegen wirkt sehr streng und regelbasiert. Wer lernt, einen wissenschaftlichen Text zu verfassen, lernt dabei meist zuerst die vielen Regeln kennen über die Struktur wissenschaftlicher Texte, über die Zitation und Literaturverzeichnisse sowie den wissenschaftlichen Stil. Das kann sich eng anfühlen.

Jetzt kommt das große positive Aber: Beide Schreibformen bieten viele kreative Freiräume. Wer den kommunikativen Rahmen versteht und die Regeln anwenden kann, kann sich darin kreativ frei entfalten. 1. Du kannst deinen eigenen Schreibprozess nach deinen Gewohnheiten und Bedürfnissen frei gestalten und alle Schreibtechniken anwenden, die dir Freude bringen und dabei helfen, den Text mit einer gewissen Leichtigkeit zu verfassen. 2. Du kannst inhaltliche Schwerpunkte setzen und Themen in die Fachgemeinschaft einbringen, die dir am Herzen liegen. Was ärgert dich und möchtest du gern erforscht und verändert sehen? Was fasziniert dich so, dass du mehr darüber erfahren möchtest? Worüber diskutiert deine Fachgemeinschaft zu wenig und du möchtest darauf aufmerksam machen? 3. Auch wissenschaftliche Texte bieten die Möglichkeit, sich im Ausdruck auszuprobieren und mit der Sprache darin zu spielen. Welche Formulierung überzeugt die Lesenden am meisten? Welche Perspektive kannst du noch einbringen, um das Thema tiefer zu beleuchten? Wie kannst du Standpunkte moderieren und auf Fehler, Lücken, wichtige Erkenntnisse aufmerksam machen?

Journalingimpuls: Vergegenwärtige dir deine kreativen Spielräume: Was im Schreibprozess bereitet dir Freude? Was hast du der Welt zu sagen? Wie schreibst du gern? Wo liest und schreibst du gerne? Was hast du gern in deiner Nähe beim Arbeiten, z.B Snacks, Bilder, Pflanze, viele Stifte… Mit welchen Materialien kannst du dir das Schreiberlebnis schön machen?  

Ein kurzer Pep-Talk darüber, warum sich beide Schreibformen lohnen und dein Schreiben voranbringen

Mir geht es so: Mit jedem neuen Text entwickle ich mein Schreiben weiter und kann immer besser auf meine Stärken bauen. Ich blicke auf jeden Text als ein Schreibprojekt. Ist mir etwas neu dabei, dann versuche ich zu überlegen, wo ich Gemeinsamkeiten zu meinen bisherigen Schreibprojekten finden kann. Schreiben ist dabei mein Werkzeug, mit dem ich neue Ideen aufspüre, meine Gedanken sortiere und Erkenntnisse verknüpfe. Und so verschmelzen die scheinbar unterschiedlichen Schreibwelten für mich. Dadurch gelingt es mir, meinen Schreibfertigkeiten zu vertrauen und als Schreibende loszulegen. Dieses Verständnis vom Schreiben ist in mir mit den Jahren gereift. So liebe und lebe ich das Schreiben. Das hilft mir, mit Freude und Spannung an jeden neuen Text heranzugehen und die Herausforderungen dabei zu meistern. 

Solltest du also vor der Aufgabe stehen, einen Text zu verfassen und dich neu in der jeweiligen Schreibform zu fühlen, dann schau dir zuerst deine bisherige Schreiberfahrung an. Sicherlich entdeckst du dabei einen großen Erfahrungsschatz, aus dem du schöpfen kannst.

Journalingimpuls: Welche Stärken hast du beim Schreiben? Mit welchen Tools und Arbeitstechniken ist dir das Schreiben bisher leicht gefallen, gelungen und lieb geworden? Wie helfen dir diese bei der neuen Schreibaufgabe?

 

Bleib kreativ und neugierig

und schreib drüber

deine Nora

 

Möchtest du dich beim Verfassen einer wissenschaftlichen Arbeit oder eines Sachtextes unterstützen lassen, dann schau dir gern mein Angebot zum Schreibcoaching an. 

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