Nutze die Kraft des Schreibens –
3 wichtige Erkenntnisse der Forschung, wie persönliches Schreiben dein Wohlbefinden steigern kann
Ob im Tagebuch oder in einem Journal – wer schreibt, um seinen Tag zu reflektieren, Gefühle auf dem Papier rauszulassen oder sich Gedanken über seine Zukunft zu machen, nutzt das persönliche bzw. therapeutische Schreiben. Bewusst oder unbewusst greifen schreibende Menschen auf die Kraft der Sprache zurück. Sie hilft, Gedanken zu ordnen, Gefühle zu verstehen und sich selbst besser zu begreifen und sich etwas Gutes zu tun. Deshalb kann Schreiben das eigene Wohlbefinden steigern.
In diesem Beitrag erfährst du, wie du die Kraft des persönlichen Schreibens für dich nutzen kannst. Drei Erkenntnisse aus der Forschung zum therapeutischen Schreiben zeigen uns, wodurch dieses persönliche Schreiben besonders wohltuend und hilfreich wird.
– Was ist persönliches Schreiben?
– Erkenntnis 1: Schreib regelmäßig persönliche Texte.
– Erkenntnis 2: Schreib 15 Minuten lang.
– Erkenntnis 3: Schreib abwechslungsreich.
– Das Aber beim persönlichen Schreiben
– Mein Fazit: Schreiben als Weg zu mehr Wohlbefinden
Was ist persönliches Schreiben?
Unter dem Begriff „persönliches Schreiben“ verstehen wir es, wenn du private Texte verfasst, um deine Gedanken zu ordnen, Erinnerungen für festzuhalten, dich zu reflektieren. Es entstehen dabei Texte, die zunächst einmal nur von einer Person gelesen werden – und zwar du selbst. Du kannst dir also darunter das Tagebuch vorstellen oder ein Journal, in dem du dein Leben reflektierst, aber auch planst. Doch die Form ist dabei nicht das entscheidende, sondern dass du für dich schreibst. Im Kern geht es beim persönlichen Schreiben darum, dass du dir den Raum nimmst, dein eigenes Ich zu ergründen und kennenzulernen.
Oben haben wir noch den Begriff „therapeutisches Schreiben“ genannt, da das therapeutische Schreiben dem persönlichen Schreiben ähnlich ist. Auch das therapeutische Schreiben wird angewendet, damit sich Menschen selbst erkunden, ihren körperlichen und seelischen Zustand verbessern, also ihr Wohlbefinden steigern. Dieses therapeutische Schreiben findet im Rahmen einer Therapie statt, wird also professionell angeleitet und begleitet.
Forschungserkenntnisse über die Kraft des Schreibens finden wir vor allem in Studien zum therapeutischen Schreiben. Einige dieser Erkenntnisse können wir auch auf unser persönliches Schreiben beziehen, wie die folgenden drei:
Erkenntnis 1: Schreib regelmäßig persönliche Texte
Wenn du über ein Problem grübelst, ein Erlebnis verarbeiten, etwas in deinem Leben verändern oder eine Entscheidung treffen möchtest, dann schreib drüber. Sich einmal hinzusetzen und über etwas zu schreiben, was einem gerade Sorgen bereitet oder einfach nur beschäftigt, hilft dabei, Abstand zu gewinnen und seine Gefühle zu verarbeiten. Schreiben hilft dir, Klarheit in deine Gedanken zu bringen. Allein schon einmal sich hinzusetzen und zu schreiben, kann dazu führen, dass du dich etwas besser fühlst oder deine Entscheidung treffen kannst.
Dies zeigt sich in Studien und Silke Heimes, die viele Forschungsergebnisse zusammengefasst hat, spricht dabei von einem Katalysator-Effekt. Es beginnt mit dem Schreiben also etwas in dir zu arbeiten. Jedoch haben Studien auch gezeigt, dass sich die Wirkung von Schreiben verstärkt, wenn du regelmäßig schreibst und durchaus auch mehr als einmal zu einem Thema, das dich beschäftigt.
Diesen Faktor des Schreibens kannst du dabei für dich nutzen, wie es dir gut tut, denn regelmäßig bestimmst du selbst. Es muss nicht täglich geschrieben werden. Nach ihrer Zusammenfassung spricht sich Silke Heimes sogar dafür aus, ruhig ein paar Tage zwischen dem Schreiben zu pausieren. So kann das Geschriebene in deinem Unterbewusstsein weiterarbeiten.
Tipp: Finde also heraus, welcher Schreib-Rhythmus dir gut tut. Vielleicht möchtest du an bestimmten Tagen in der Woche schreiben oder dir genau einen Tag in der Woche zu deinem Schreibtag machen. Finde etwas zwischen „alle paar Tage“ und „einmal die Woche“ oder „14täglich“.
Erkenntnis 2: Schreib 15 Minuten lang
So wie die Regelmäßigkeit die Wirkung von Schreiben befördern kann, so beeinflusst auch die Zeit, die du am Stück schreibst, die Entfaltung der Kraft des Schreibens. Verschiedene Studien zeigen, dass es förderlich ist, wenn du etwa 15 Minuten am Stück schreibst. Hierbei ist es wichtig, dass du wirklich diese Zeit hindurch schreibst und versuchst, im Fluss zu bleiben, also den Stift weiter auf dem Papier in Bewegung zu halten. So führt dich ein Gedanke zum nächsten und du bleibst im Strom deiner Gedanken. Unterbrich dich nicht, denk nicht darüber nach, ob du richtig schreibst. Schreib einfach. Bei einer längeren Schreibzeit können dann auch Gedanken und Gefühle auftauchen, die dir vorher nicht bewusst waren. Darum lohnen sich die 15 Minuten. Nimm dir jedoch auch nach dem Schreiben noch etwas Zeit, um alles sacken zu lassen. Das ist besonders wichtig, wenn Gefühle auftauchen, die dich überrascht haben oder erstmal ein wenig Zeit und Ruhe brauchen. Hier könntest du für dich ein kleines Ritual schaffen, dass dir hilft, den Übergang vom Schreiben in deinen Alltag zu erleichtern: Räume zum Beispiel ganz in Ruhe deine Schreibsachen fort oder höre eines deiner Lieblingslieder.
Tipp: Wenn du es nicht gewohnt bist, 15 Minuten am Stück zu schreiben, dann taste dich langsam heran. Beginne mit 5 Minuten und dann verlängere die Zeit. Setze dir einen Timer, damit du nicht auf die Zeit achten musst. Hier ist Übung alles: Je öfter du 15 Minuten lang schreibst, desto leichter fällt es dir. Und wenn es nicht klappt, du abbrichst oder merkst, dass du immer wieder innehältst und nicht schreibst in den 15 Minuten, dann nimm es so an. Es ist dein persönliches Schreiben.
Erkenntnis 3: Schreib abwechslungsreich
Viele Menschen, die Tagebuch schreiben oder Journaling nutzen, schreiben meist frei einen Fließtext. Sie schreiben frei, weil sie schreiben, ohne dem Text eine bestimmte Form zu geben. Entweder schreiben sie dabei so frei, dass sie ohne einen wirklichen Impuls einfach loslegen oder dass sie von einer Frage oder einem Thema aus drauflos schreiben. So eine Frage könnte zum Beispiel sein: Warum fiel es mir gestern so schwer, zu Person X Nein zu sagen?
Auch hier lässt sich laut Erkenntnissen der Forschung die Wirkung des Schreibens noch anders entfalten – und zwar auf zwei verschiedene Weisen: a) Textarten variieren und b) Perspektive oder Fokus verändern.
a) Textarten variieren
Das freie Schreiben hilft dir vor allem dabei, Themen aufzudecken. Mit verschiedenen Textarten lassen sich Gefühle und Gedanken neu ergründen. Andere Textarten als der freie Fließtext geben deinem Schreiben eine Form und führen so zu anderen Worten und Ausdrücken. So empfiehlt zum Beispiel die Autorin und Poesiepädagogin Ramona Jakob nach dem freien Schreiben, Inhalte zu verdichten. Besonders Gedichte regen an, sprachliche Bilder zu verwenden und zum Beispiel ein Gefühl greifbar zu machen, es sich besser vorstellen zu können. Aber auch die begrenzte Anzahl von Worten wie in einem Elfchen führen dazu, ganz genau über jedes Wort nachzudenken. So kann sich die Erkenntnis über etwas vertiefen.
Struktur und Form geben auch weitere Textarten vor. So könntest du auch einen Brief schreiben und dich damit direkt an eine Person richten und sie ansprechen. Oder einen Dialog verfassen und so gleichzeitig zwei Stimmen auf dem Papier zu Wort kommen lassen. Es eignen sich auch Erzählungen oder Märchen, um über Erlebnisse, Probleme oder Wünsche schreibend nachzudenken. Anregungen zu verschiedenen Textarten findest du in unserem Blog, aber auch in unserem neuesten Zugang im Bücherregal: Selbstwirksam schreiben von Carmen C. Unterholzer.
Tipp: Fang mit einem Brief an. Briefe schreiben wir – auch wenn nun elektronischer Form – öfter. Diese Textform ist uns vertraut, da sie auch immer noch in der Schule gelehrt wird. So kannst du also mit einem Text anfangen, der dir nicht fremd ist. Eine Form des Briefes ist der Dankesbrief. Verfasse einen Brief an eine Person, der du für etwas dankbar bist. Schreibe den Brief erstmal nur für dich, ohne ihn abschicken zu wollen.
b) Perspektive oder Fokus verändern
Da es im persönlichen Schreiben im Kern darum, geht sich selbst zu erkunden, schreiben viele meist aus dem ersten Impuls heraus von sich aus in der Ich-Perspektive. So bleibt man nah an sich und seinen Gefühlen dran und bringt seine Ansichten zu Papier. Doch das persönliche Schreiben muss darauf nicht beschränkt werden. Eine meiner Lieblingserkenntnisse zum Schreiben ist die Wirkung, die ein Perspektivwechsel haben kann.
Perspektiven lassen sich auf vielfältige Weise verändern. So kannst du zum Beispiel einen Text, den du in der Ich-Form verfasst hast, umschreiben und alles in ein anderes Personalpronomen setzen. Du kannst mit so einem Wechsel in eine Art Vogelperspektive gehen und alles von Außen betrachten. Das gelingt sogar mit dem ungewöhnlicherem Du, wobei du dich dir selbst gegenüberstellst.
Deine Perspektive kannst du aber auch wechseln, indem du einen Dialog schreibst. Stell dir vor, du stehst vor einer Entscheidung und weißt nicht, was du machen sollst. So könntest du mit deinem zukünftigen Ich ein schriftliches Gespräch führen oder um Rat bitten, dass schon die eine oder die andere Entscheidung getroffen hat. Oder du befragst dein jüngeres Ich, was es sich wohl für das eigene Leben wünschen würde. Auf dem Papier lassen sich mit Vielen ein Gespräch führen: mit eigenen Gefühlen, anderen Personen, selbst mit Gegenständen kannst du einen Dialog führen (auch einfach nur deshalb, weil es Spaß macht).
Neben der Perspektive kannst du auch deinen Fokus im Schreiben verändern. Stell dir vor, du schreibst abends nach einem anstrengenden Tag auf, was so passiert ist und was dich auch frustriert hat. Das kann sich erstmal sehr erleichternd anfühlen, das loszulassen. Du könntest aber auch (oder danach) über die Momente des Tages schreiben, bei denen es dir gut ging. Tatsächlich erleben wir an einem Tag viel öfter schöne Momente, als uns so bewusst sind, weiß die Psychologin und Emotionsforscherin Barbara Fredrickson. Nur fühlen sich die wenigen blöden Momente irgendwie meist doller an und beeinflussen uns deshalb stärker. Darum lohnt es sich, sich auf diese schönen Momente des Tages zu fokussieren und auch darüber zu schreiben. Studien belegen, dass das Formulieren von Freude, Erfolgen und positiven Gedanken den Geist öffnen, die Flexibilität erhöhen und sogar depressive Verstimmungen lindern kann. Es macht uns sogar kreativer und weitsichtiger.
Das Aber beim persönlichen Schreiben
Bei aller Euphorie, die ich für das Schreiben habe, und aller Studienergebnisse, die zeigen, dass Schreiben eine positive Wirkung auf unser Wohlbefinden haben kann, muss ich am Ende ein Aber einfügen.
Schreiben ist nicht für jeden Menschen und zu jedem Zeitpunkt hilfreich. Schreiben während oder kurz nach einer Krise kann negative Gefühle verstärken. Nach belastenden Erfahrungen ist es daher ratsam, zunächst Abstand zu gewinnen, um nicht in negativen Gefühlen zu versinken. Auch wenn du mit Abstand zu dem Ereignis schreibst, können negative Gefühle wieder auftauchen. Achte also auf dich, nimm deine Gefühle wahr und bitte um Hilfe, wenn es dir nicht gut geht.
Genauso kann das Schreiben auch mal das Grübeln verstärken und man verliert sich in einem Problem, umkreist es immer wieder. Hier kann es dir helfen, das Schreiben abzubrechen und später mit einem anderen Fokus, einer anderen Perspektive oder einer anderen Textform heranzugehen.
Auch unabhängig von belastenden Erfahrungen gibt es ein Aber: Nicht jede Schreibübung eignet sich für jeden Menschen. So gibt es Schreibübungen, die richtig gut funktionieren, so wie bei mir zum Beispiel das Schreiben von Dialogen. Passe also dein persönliches Schreiben an dich, deine Vorlieben und deine Gefühle an. Sei offen, um etwas auszuprobieren, bleibe aber auch bei dem, was dir gut tut.
Mein Fazit: Schreiben als Weg zu mehr Wohlbefinden
Persönliches Schreiben eröffnet dir eine vielfältige Welt, in der Worte heilen, Klarheit schaffen und neue Perspektiven eröffnen können. Ob du frei schreibst oder Briefe, Gedichte, Listen oder Geschichten verfasst, du setzt dich auf eine kreative Art mit dir selbst auseinander. Damit kannst du dein Wohlbefinden nachhaltig stärken. Probier es doch einmal aus: Schreibe heute 10 Minuten lang einen freundlichen Brief an dein früheres Ich als Kind und erzähle, was dich gerade bewegt. Schreib dir nächste Woche 15 Minuten lang eine Antwort aus jener Perspektive von dir als Kind.
Deine Nora
Empfehlungen für dich:
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– Anregungen zum vielseitigen Schreiben findest du zum Beispiel in diesen zwei Beiträgen von uns:
- Schreiben gegen Stress: https://www.schreibdrueber.de/3-schreibuebungen-gegen-stress
- 5 Wege ein Tagebuch zu führen, ohne zu schreiben: https://www.schreibdrueber.de/5-wege-tagebuch-ohne-schreiben
– In unserem Bücherregal findest folgende spannende Lektüre:
- Schreiben zur Selbsthilfe von Birgit Schreiber: https://www.schreibdrueber.de/schreiben-zur-selbsthilfe
- Poesie ist Lebenstanz von Ramona Jakob: https://www.schreibdrueber.de/poesie-ist-lebenstanz
- Das Magazin SchreibRÄUME: https://www.schreibdrueber.de/schreibraeume
Quellen:
Blumberg, J. (2019). Poesie- und Bibliotherapie: Forschung, Forschungsstand und Wirksamkeit. In: Petzold, H. G. / Leeser, B. / Klempnauer, E. (Hg.): Wenn Sprache heilt. Handbuch für Poesie- und Bibliotherapie, Biographiearbeit und kreatives Schreiben. Aisthesis Verlag. S. 311 – 335.
Heimes, S. (2012). Warum Schreiben hilft. Die Wirksamkeitsnachweise zur Poesietherapie. Vandenhoeck & Ruprecht.
Ruini, C.; Mortara, C. C. (2021). Writing Technique Across Psychotherapies— From Traditional Expressive Writing to New Positive Psychology Interventions: A Narrative Review. In: Journal of Contemporary Psychotherapy 52, S. 23–34. https://doi.org/10.1007/s10879-021-09520-9

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