heilsames schreiben

Befreunden Sie sich mit Ihrem Schreiben

Dieses äußerlich unscheinbare Buch Schreiben zur Selbsthilfe. Worte finden, Glück erleben, gesund sein von Birgit Schreiber ist eine fundierte Anleitung zum autobiografischen Schreiben und entfaltet seine Wirkung, indem sich die Lesenden ihrem Schreiben aufmerksam zuwenden und es kennenlernen als eine Art beste Freundin, mit der sie lachen und träumen können oder in Erinnerungen schwelgen.

Fundiert und strukturiert

Auffällig waren für uns zuerst – und damit punktet dieses Buch bei uns – die Struktur und die wissenschaftliche Fundierung. In diesem Ratgeber stellt Birgit Schreiber zunächst die psychologischen Grundlagen vor und erklärt, warum das Schreiben ein wirksames Mittel ist, um für die eigene seelische Gesundheit und sein Glück zu sorgen. In den weiteren Kapiteln gibt sie dann konkrete Anleitungen und Schreibimpulse samt Hintergrundinformationen, um die eigene Vergangenheit umzuschreiben, sich der Gegenwart zu widmen und dann in die Zukunft zu träumen und Ziele selbstbewusst anzupacken.

Gestaltet ist das Buch wunderbar übersichtlich: Vor jedem Kapitel gibt es ein eigenes Inhaltsverzeichnis, was uns als Leserinnen gut orientiert. Am Rande des Textes stehen Stichworte zum Inhalt, Übungen sind in grauen Kästen dargestellt und hier und da ist das Buch mit schönen Zeichnungen gespickt. Am Ende eines jeden Kapitels findet sich ein Literaturverzeichnis. Super, so ist die Literatur thematisch sortiert und erleichtert das Finden von Quellen. 

Die Fülle an Anregungen zum kreativen und persönlich stärkenden Schreiben sind wissenschaftlich fundiert. Die einzelnen Themen werden so sowohl theoretisch verstehbar als auch praktisch erlebbar. Hierin unterscheidet sich dieses Buch auch von den eher spirituellen und handwerklich orientierten Schreibratgebern wie dem von Julia Cameron.

Räume im Haus des Schreibens

Birgit Schreiber nimmt in ihrem Buch ihre Leser*innen mit auf eine Hausbesichtigung. Und zwar in das Haus des Schreibens! Sie beginnt damit, den Schlüssel für das Haus zu überreichen und uns Leser*innen wirklich in die Hand zu drücken: Freewriting. Damit lässt sich der Zugang zum (heilsamen) Schreiben öffnen. Und dann führt Birgit Schreiber in das Haus hinein und erzählt zunächst einmal mehr über das wichtige Fundament des Schreibens. So beschreibt sie zum Beispiel über die Forschungsergebnisse zur Wirkung des Expressiven Schreibens. Kurz und bündig erzählt sie hier von wissenschaftlichen Erkenntnissen, wie Schreiben wirken und eingesetzt werden kann, z. B. in Form eines Dialogs. Mit ihrer Erzählung lädt sie uns Leser*innen auch zum Schreiben ein, gibt uns Übungen, die wir gleich ausprobieren können.

Leider bricht Birgit Schreiber nach dem 2. Kapitel mit ihrer Hausmetapher; nur in Kapitel 5.8 finden wir ein Spielzimmer und in Kapitel 6.2 den Traumraum. Ich hätte mir gewünscht, dass sie das Haus noch mehr gestaltet und dabei bleibt. So hätte sie zum Beispiel in Kapitel 3 Wirkstoffe im Heilmittel Schreiben in die Küche einladen können. Und vielleicht wäre die Vergangenheit ein toller Dachboden mit vielen Winkeln und Ecken und die Gegenwart in Kapitel 5 hätte im Wohnzimmer verortet werden können.

Eine bunte Welt des Schreibens öffnet sich

Auf den ersten Blick kommt das Buch sehr nüchtern daher, aber es öffnet eine bunte Welt des Schreibens, denn die Übungen sind vielfältig und das Wissen ist reichhaltig. Uns freut an dem Buch, dass nicht nur unterschiedliche inhaltliche Schreibimpulse gegeben werden wie über ein schönes Kindheitserlebnis zu schreiben oder zu einem Zitat einen freien Text zu verfassen. Vielmehr variiert Birgit Schreiber auch in den Textarten und den Schreibübungen – mal wird ein Dialog verfasst, mal eine Anapher, biographische Miniaturen oder auch ein Märchen. Das bringt noch mehr Vielfalt in das Schreiben und hebt sich somit auch von anderen ähnlichen Ratgebern ab.

Fazit: ein Schatzkästchen

Insgesamt erscheint das Buch dezent und schlicht und begeistert uns vor allem durch seine klare Struktur und den profunden Inhalt. Es ist ein Schatzkästchen – sowohl für das eigene Schreiben, als auch für das gemeinsame Schreiben oder für Anleiter*innen von kreativen, heilsamen, biographischen Schreibgruppen. Birgit Schreiber vereint hier offenbar ihre Interessen und Stärken als Biographieforscherin, Journalistin und Poesietherapeutin. Man spürt den wissenschaftlichen Hintergrund und Arbeitsstil und zugleich die Begeisterung fürs Schreiben. 

Das eigene Schreiben ist ein viel zuverlässigerer Begleiter als der eigene Partner oder die eigene Freundin. Mit diesem Gedanken beendet Birgit Schreiber ihr Buch. Wir mögen dieses Bild von der Freundschaft zum eigenen Schreiben.

Birgit Schreiber: Schreiben zur Selbsthilfe. Worte finden, Glück erleben, gesund sein. 

(Ratgeber, erschienen 2017 bei Springer)