Versteck dich nicht hinter Wörtern.

Die 13 Jährige Edith, Spitzname Eddy, muss die Sommerferien bei ihrer Oma  verbringen, während ihre Freundinnen exklusive Urlaube vor sich haben. Für einen langen teuren Urlaub haben ihre Eltern kein Geld, obendrein streiten sie sich ständig. So landet Eddy also mäßig gut gelaunt in dem kleinen Landhotel ihrer Oma in einem Kaff und bezieht dort ein Zimmer voll mit den Möbeln der Vorbesitzer, die sogenannte Bruchbude. Schon bald trifft sie frühere Freunde wieder: den „kuhlen Matti“ und den echt liebenswerten Berg. Mit den Jungs verbringt sie Zeit am See und in der Eisdiele.

Und sie lernt einige Gäste des Hotels kennen, die ihr aber auch sonderbar erscheinen. Was sie in diesem Sommer am meisten beschäftigt, sind mysteriöse Schreibaufträge. Immer wieder tauchen sie auf – versteckt in ihrem Zimmer und in ihren persönlichen Sachen. Eigentlich mag sie den Deutschunterricht nicht, aber diese Schreibaufträge ziehen sie dann doch in ein kleines Abenteuer. So soll sie beispielsweise ihren letzten Traum aufschreiben und schauen, was dann passiert. Oder sie soll alle ihre Sinne beim Schreiben gebrauchen, soll ein morgendliches Hörprotokoll schreiben oder mal einen Buchstabensalat entwirren. Sie versucht herauszufinden, welcher der seltsamen Gäste oder Bewohner des Ortes dahinter stecken könnte, einige Leute geraten unter Verdacht. Bei diesen Erkundungen hilft ihr Berg, er kennt sich schließlich aus im Ort und er mag Eddy. Ganz nebenbei geraten ihre Gedanken und Gefühle etwas durcheinander. 

Das ist ein Buch, bei dessen Erscheinen ich neidisch war, weil ich es selbst gern geschrieben hätte. Die Geschichte ist toll – sommerlich, verschlungen, nicht zu komplex. Die Figuren sind liebevoll schrullig gezeichnet, haben alle ihre kleinen Geheimnisse, die die Geschichte und unsere Protagonisten wie bei einer Art Schnitzeljagd voranbringen. Eddy braucht einen klaren Kopf und detektivisches Gespür, muss aber auch mit allerlei Gefühlen klarkommen. Und das tut sie: sie entwickelt sich, wird immer aufmerksamer durch das Schreiben. Ganz nebenbei, ganz unbemerkt, entdeckt die Wortakrobatin das Schreiben für sich.

Das Buch feiert die Schönheit des Schreibens und enthält auch einige Referenzen auf sich selbst: klingende Namen etwa oder der Anlass des Buches selbst. Mehr kann ich nicht verraten, weil der Hinweis erst ganz am Ende auftaucht. Und natürlich geht es auch thematisch ums Lesen und Schreiben. „Mindestens noch zweimal las ich Bergs langen Brief. Erst dann konnte ich ihn zurück in den Umschlag schieben. Und seufzend an mich pressen, wie ich das auch immer mit schönen Büchern mache, wenn ich traurig bin, dass sie zu Ende sind. Ich hätte gern noch mehr von Berg gelesen. In dem Brief steckte seine Stimme. Und sein Lachen, wenn der Brief eher traurig war.“ (S. 216)

Auch die Gestaltung des Buches ist sehr liebevoll: Auf dem Vorsatzpapier, rund um die Kapitelüberschriften und an den Rändern finden sich lauter kleine Zeichnungen wie Kritzeleien in einem Schreibheft. Im hinteren Teil finden sich alle 21 Schreibaufträge hübsch aufbereitet für uns Lesende zum Nachmachen. Verweise am Textrand und zwei Lesebändchen, eins sonnengelb und eins tintenblau, helfen bei der Orientierung.

Darum denke ich, dass dieses Buch eine tolle Lektüre ist für alle jungen und älteren Menschen, die den Sommer sonnengelb spüren (oder erinnern) möchten, die gern spannende und schöne Geschichten lesen, die gern tintenblau schreiben. Oder die gern schreiben wollen und dafür Anregungen brauchen. Viele dieser Schreibanregungen sind auch prima für Schreibgruppen geeignet. Eine kleine Schatzkiste.

Barbara Zoschke: Sonnengelb und Tintenblau oder: Der Sommer, in dem ich zu schreiben begann (Jugendroman ab 11 Jahre, erschienen 2021 bei ueberreuter)