Schreiben als Glückswerkzeug.

In diesem Beitrag möchte ich ein Buch vorstellen, das Janas und meine Arbeit bereichert hat. Bei diesem Buch von Barbara Fredrickson handelt es sich um eine Art Zusammenfassung der wichtigsten Erkenntnisse ihrer jahrelangen Forschung und ist eine Mischung aus Sachbuch und Ratgeber zur Wirkung von positiven Gefühlen auf das Wohlbefinden.

Als Jana und ich zum ersten Mal Self Love Letters verfasst haben, ist das Glück vor einigen Jahren in unser Arbeitsleben getreten. Über diese Erfahrung fingen wir an, uns immer mehr mit dem Thema Schreiben über positive Themen und mit dem eigenen Wohlbefinden zu befassen. Dabei sind wir auf die Positive Psychologie gestoßen und auf die für uns faszinierende Forschung der Psychologin und Emotionsforscherin Barbara Fredrickson.

Hintergründe zur Autorin und der Positiven Psychologie 

Um dieses Buch einordnen und auch die ausführlichen Beschreibungen der Studien in dem Buch verstehen zu können, sollte man sich mit der Autorin beschäftigen und die Entstehung und die Arbeit der Positiven Psychologie verstehen. 

Barbara L. Fredrickson ist Professorin für Psychologie und forscht seit den 1980er/1990er Jahren zu den positiven Emotionen Liebe, Freude, Hoffnung, Dankbarkeit, Gelassenheit, Interesse, Stolz, Belustigung/Erheiterung, Inspiration, Ehrfurcht. Da in der Psychologie überwiegend negative Emotionen wie Angst oder Wut erforscht wurden und herausgearbeitet wurde, welche Funktion und Wirkung sie für den Menschen haben, fragte sich Fredrickson, was es mit den positiven Emotionen auf sich hat. So fing Fredrickson an, in verschiedenen Studien die Wirkung der positiven Emotionen zu untersuchen. Mit ihrer Forschung wurde sie zu einer der führenden Vertreterinnen der im Jahr 2000 gegründeten Positiven Psychologie. Ihre Forschung passte genau in die Gründungsidee der Positiven Psychologie. So meinten die Begründer Martin Seligman und Mihaly Csíkszentmihályi, dass Psychologie nicht nur die Lehre der psychischen Krankheiten sei und es nicht nur um Schwäche und Schäden ginge, sondern dass sie auch die Lehre der Stärken und Vorzüge der Menschen sein müsse. Dabei erforscht die Positive Psychologie – wie in der Psychologie üblich – mit wissenschaftlichen Methoden die Komplexität des menschlichen Daseins und Handelns und möchte alle Facetten verstehen. Ein wesentlicher Aspekt der Arbeit in der Positiven Psychologie ist die Genauigkeit der Forschung, da dieser Zweig der Psychologie seit seiner Gründung immer wieder in der Kritik steht. Daher sind die Forschenden daran interessiert, ihre Forschungsergebnisse immer wieder zu hinterfragen und zu prüfen. So basieren die Erkenntnisse, die Barbara Fredrickson in ihrem Buch präsentiert, auf zahlreichen Explorationsstudien mit standardisierten Verfahren sowie randomisierten und kontrollierten Experimenten. 

In ihrem Buch schafft sie es, diese vielen Studien anschaulich darzustellen und so einen Einblick in die Forschungsarbeit zu gewähren. Das ist typisch für die US-Amerikanische Wissenschaft: Erkenntnisse jahrelanger Forschungstätigkeit werden in populären Sachbüchern mit Ratgeberanteil einem großen Publikum vorgestellt werden. Das muss man wissen, wenn man ein solches Buch liest, damit man nicht einen einfachen Ratgeber erwartet oder ein wissenschaftliches Fachbuch. Es ist etwas dazwischen. Und genau darin sehe ich auch den Wert dieses Buches. Man erfährt, auf welcher wissenschaftlichen Grundlage die Autorin zu ihren Ratschlägen kommt.

Kern des Buches

Im Kern dieses Buches geht es darum, wie positive Gefühle wirken und welche Kraft sie in unserem Leben entfalten können: Sie machen uns stärker, gesünder, kreativer und widerstandsfähiger. Das heißt, sie steigern nicht nur kurzzeitig unser Wohlbefinden, sondern wirken sich langfristig auf uns aus. Sie erweitern unsere Ressourcen (z.B. Lösungen für Probleme zu finden) und stärken unsere Resilienz, d.h. psychische Widerstandskraft. Die Erkenntnisse von Fredrickson zeigen, wie wichtig positive Gefühle wie Freude, Zuversicht oder Dankbarkeit für unsere mentale Gesundheit sind. Es geht dabei aber nicht um eine „Don’t worry, be happy“-Einstellung oder positives Denken, sondern vielmehr um eine positive Grundeinstellung, echte positive Gefühle, die man bewusst wahrnimmt.

Der 3-zu-1-Quotient

Positive Gefühle haben also die Funktion, uns stärker und gesünder zu machen. Doch vor allem können sie das, so die Autorin, wenn die positiven Gefühle in dem richtigen Verhältnis zu den negativen Gefühlen stehen. Es ist wissenschaftlich bewiesen: Wenn man mehr positive Emotionen hat als negative, dann bleibt man dauerhaft glücklich und kann sogar Krisen und Rückschläge unbeschadet überstehen. 

Es gibt also keine lineare Beziehung zwischen positiven und negativen Gefühlen. Dies bedeutet auch, dass man ein negatives Gefühl und dessen Wirkung nicht mit einem guten Gefühl neutralisieren kann. Und einfach mehr gute Gefühle bedeutet nicht gleich mehr Lebenszufriedenheit. Ganz so einfach ist es (leider) nicht. Barbara Fredrickson hat mit ihrer Forschung eine mathematische Formel herausgearbeitet. Es hat sich immer wieder gezeigt, dass es hier um Quantität (und tatsächlich nicht um Qualität) geht: Das Verhältnis ist etwa 3:1. Man muss somit 3 mal mehr positive Gefühle erleben (am besten jeden Tag oder verteilt über ein oder zwei Wochen) als negative Gefühle. Dann kann unser System in die gesteigerte Lebensfreude kippen und wir blühen auf (S. 271f.). Diese Formel zeigt aber auch, dass es nicht darum geht, negative Gefühle auszumerzen. Sie gehören immer noch zu unserem Leben dazu. Und die gute Nachricht bei dieser Formel ist: Es geht nicht darum, jedes positive Gefühl besonders intensiv zu spüren. Nein, es geht (auch) um die kurzen Momente, in denen man innehält und sich über einen Regenbogen freut oder dankbar ist, dass man die Bahn noch bekommen hat. Dies sind positive Gefühle, doch oft sind sie flüchtig und wir nehmen sie im (stressigen) Alltag nicht richtig bewusst wahr. Das aber ist das Geheimnis. Sich dieser Momente zuzuwenden und die positiven Gefühle zu spüren. 

Broaden-and-Build-Theory of Positive Emotions

Aus ihren Forschungsergebnisse hat Fredrickson mit der Zeit ihre Broaden-and-Build-Theory of positive emotions entwickelt. Diese zeigt, dass gute Gefühle unsere Wahrnehmung und unser Denken weiten. Wir werden uns unserer Umgebung bewusster, sehen mehr, nehmen mehr wahr (S. 270f.). Stell dir vor, du läufst durch einen Wald. Bist du dabei in einem Gefühl der Angst, siehst du vor allem den Weg vor dir, fokussierst dich auf deine Schritte und willst schnell heraus. Gehst du aber in dem Gefühl der Freude durch den Wald, könntest du auch die verschiedenen Vögel zwitschern hören, siehst verschiedene Pflanzen am Waldrand und dass es in der Natur viele verschiedene Grüntöne gibt.  

Diese weite Wahrnehmung lässt uns auch flexibler und kreativer handeln, da wir mehr Möglichkeiten um uns herum erkennen können. So bin ich als Schreibende vielleicht inspiriert und mache mir daheim eine Liste mit Worten für die Beschreibung der Grüntöne. Ich suche auch nach Metaphern (baue mir einen weiteren Wortschatz auf) oder fange gar eine Geschichte an, die im Wald spielt.

Für unser Leben

Im zweiten Teil ihres Buch geht Barbara Fredrickson darauf ein, wie wir die Erkenntnisse in unserem Leben anwenden können. Zunächst einmal geht es darum, eine Bestandsaufnahme (Kapitel 8) zu machen und zu schauen, welchen Quotient an Gefühlen wir leben. Laut der Autorin leben die meisten von uns in einem Verhältnis von 2 zu 1. Dies kann ich bestätigen. Als ich zum ersten Mal den Test gemacht habe, den die Autorin in ihrem Buch zur Verfügung stellt, landete ich auch bei einem Quotienten von 2:1. Sich dem erstmal bewusst zu werden, ist der erste Schritt. Im nächsten Kapitel 9 geht Fredrickson dann darauf ein, wie man negative Gefühle reduzieren könnte, und im 10. Kapitel, wie wir gute Gefühle steigern können. Und dazu hat sie dann im 11. Kapitel auch konkrete Werkzeuge wie „Fünf gute Taten an einem Tag“ (S. 242), „Kraft tanken in der Natur“ (S. 245) oder „Achtsamkeitsmeditation“ (S. 247), mit denen wir uns ausprobieren können. Sie gibt dazu den wertvollen Hinweis, dass man die Werkzeuge einsetzen sollte, die bei einem selbst funktionieren und nicht auf die Werkzeuge schaut, von denen andere berichten, wie toll sie sind (S. 239). 

Schreiben als Glückswerkzeug

Beim Lesen hat mich besonders gefreut, dass bei den Werkzeugen von Fredrickson auch drei Schreibimpulse vorkommen. So zählt sie 1) das Dankbarkeitstagebuch (S. 251) auf und 2) das Schreiben, um damit die eigenen Wünsche und Träume zu visualisieren (S. 253). Der dritte Schreibimpuls ist ihre Anregung, ein Positiv-Portfolio zu führen (S. 254ff.). Sie meint damit eine Sammlung von Objekten und Andenken, die mit den verschiedenen positiven Gefühlen verbunden sind. Diese Sammlung kann kreativ in einem Album oder einer Kiste gestaltet werden. Und das Schreiben fließt hier ein: So kann man zu den einzelnen Objekten schreiben. Durch das Schreiben intensiviert sich die Erinnerung und auch die innere Verbundenheit zu dem Objekt kann sich dadurch verstärken. Die Erinnerung wird durch das Schreiben meist noch mal lebendiger und im Schreiben können wir den Zusammenhang zwischen dem Objekt, der Erinnerung und dem positiven Gefühl (z.B. Hoffnung oder Dankbarkeit) erklären, wodurch man sich dem Objekt noch  mehr verbunden fühlt oder man durch das Schreiben auch neue Erkenntnisse über sich gewinnt. Ein Beispiel von mir: In mein Hoffnungsportfolio kommt ein Foto von mir auf einer Schaukel auf der Insel Hiddensee. Dazu schreibe ich, warum dieses Bild für die Hoffnung steht – das Foto entstand, als ich kurz vor der mündlichen Abiturprüfung ein paar Tage auf Hiddensee war und dort mit einer Leichtigkeit (Schaukel) lernen konnte und das Gefühl bekam, alles wird gut. Ich schaffe das. Ich konnte mit Hoffnung oder Zuversicht in die Abiturprüfung gehen. 

Fazit

Wer sich das Buch „Die Macht der Guten Gefühle“ vornimmt, erhält nicht einfach nur einen Ratgeber für ein glücklicheres Leben. Das Buch ist anders als andere Ratgeber zu dem Thema, weil es wissenschaftlich erklärt, was hinter unseren positiven Gefühlen steckt, warum es sich lohnt, sich mit ihnen zu beschäftigen und sie mehr und bewusster wahrzunehmen. Am Ende des Buches erhält man aber auch konkrete Werkzeuge, mit denen man sich der Kraft der guten Gefühle bedienen kann. Wer jedoch ein einfaches Programm sucht, das ihm leicht Schritt für Schritt erklärt, wie ein glückliches Leben funktioniert, wird hier wohl enttäuscht werden. Wer aber verstehen will, was es mit den guten Gefühlen auf sich hat und nach und nach seinem Leben eine positive Wendung geben möchte, der hat hier ein wirklich wertvolles Buch zu Händen.

Mich hat das Buch von Barbara Fredrickson inspiriert; es hat mich dazu gebracht, mich mehr mit meinem Wohlbefinden und der Forschung der Positiven Psychologie zu beschäftigen. Es ist für mich ein gelungenes Buch, da es auf eine ansprechende Art, fundierte Forschungserkenntnisse erklärt und man es (trotzdem) gut in der Praxis anwenden kann. Dieses Buch kann helfen, das eigene emotionale Leben aktiv zu gestalten – für mehr Glück, Resilienz und innere Balance.

„Die Macht der guten Gefühle“ von Barbara L. Fredrickson

(297 Seiten, Veröffentlicht 2011 beim Campus-Verlag, Originaltitel: Positivity. Groundbreaking Research Reveals How To Embrace the Hidden Strength)

Hier geht’s zum Buch: „Die Macht der guten Gefühle“

Hier gibt es mehr zum Positivitäts-Quotienten: positivity ratio

Sich glücklich zu schreiben oder das Schreiben zu nutzen, um seine guten Gefühle wahrzunehmen und seinen 3-zu-1-Faktor zu stärken oder zu erhöhen, könnt ihr bald wieder bei uns. Dazu bieten wir bald wieder einen Workshop an: https://www.schreibdrueber.de/workshops-und-buchclubs

Wenn du gleich schon starten möchtest, dann schau dir unsere Tipps in dem Blogbeitrag Kreative Selbstliebe an.

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