schreibende Frauen

Von Hingabe und Durchhaltevermögen schreibender Frauen

Simone Frieling hat in diesem wunderbaren, schmalen Buch Ich schreibe, also bin ich Geschichten von verschiedenen Frauen zusammengestellt, für die das Schreiben irgendwann im Leben so wichtig war, dass sie unter allen Umständen den Stift in die Hand nehmen und Worte aufs Papier fließen lassen mussten. Auf 138 Seiten erzählt uns Simonen Frieling von insgesamt 10 Frauen und ihren Schreibräumen. Zu diesen Frauen gehören u.a. Virginia Woolf, Katherine Mansfield, Rosa Luxemburg, Sylvia Plath, Hannah Arendt und Else Lasker-Schüler. 

Frauen und ihre Schreibräume

Frieling gibt uns Einblicke in das Schriftstellerinnenleben und zoomt an die Umstände des Schreibens heran. Sie fragt dabei „Wie sollen Frauen die Phasen überstehen, in denen sie regelrecht besessen sind von ihrer Arbeit und die Familie nach einer warmen Mahlzeit schreit? Wie Zeiten intensiver Recherche und des Aufstands unter Kollegen, der meist abends stattfindet? Wann stellen sich die Rhythmen von einsamer Schreibarbeit, anregender Geselligkeit und einem allen gerecht werdenden Familienleben ein, die das produktive Arbeiten ohne Selbstzerstörung überhaupt ermöglichen?“ (S. 11)

Da ist Virginia Woolf (1882-1941) – die große englische Schriftstellerin. Mit ihr beginnt das Buch, vielleicht weil sie diejenige unter den Autorinnen war, die sich besonders mit dem Schreiben der Frauen und den Schreibräumen auseinandergesetzt hat. Woolf konnte sich in ihrem Leben in verschiedenen Häusern und Zimmern einrichten, fand Ecken zum Schreiben und hatte ein wenig Geld zum Leben – geerbt von einer Tante. Doch Schreibräume für Frauen und das Leben als Autorin beschäftigten sie immer und immer wieder. In ihrem berühmten Essay A Room of One’s own von 1929 fordert sie schließlich für die Frauen: ein eigenes Zimmer und ein einträgliches monatliches Einkommen. 

Ein ganz anderes Leben führte Katherine Mansfield (1888-1923). Wohlhabend geboren, entscheidet sie sich für ein Leben als Schriftstellerin und bekommt von ihrem Vater nur eine geringe Jahresrente. Ihr Erwachsenenleben ist von Unruhe gekennzeichnet, von vielen Umzügen bzw. dem Fliehen aus schrecklichen, lauten Unterkünften. Immer ist sie auf der Suche nach einem Platz zum Schreiben. Findet ihn mal hier mal dort, bis sie wieder flieht.

Marina Zwetajewa (1892-1941) ist ebenso geplagt im Leben von schlechten Schreibräumen. Einige Jahre lebt sie mit ihren Kindern auf einem kargen Dachboden und „(w)enn um 22 Uhr die Kinder endlich im Bett liegen, beginnt für (sie) der Teil des Tages, auf den sie hingelebt hat: die Zeit des Lesens und Schreibens.“ (S. 61) Marina Zwetajewa feierte zwar Erfolge mit Gedichtbänden, doch nicht solche, dass sie gut davon leben konnte. Ebenso wie andere Schriftstellerinnen musste sie umziehen, fliehen; aus ihrer Heimat wird sie verbannt. „In ihrem Leben mangelte es an allem: an der Stille der vier Wände, an einer Wohnung, einem Haus, einer vertrauten Straße, an einer geliebten Stadt und an Anerkennung im eigenen Land.“ (S. 66f)

Schreiben als Mutter

Die Schicksale der schreibenden Frauen gehen mir nahe. Doch vor allem berühren mich die Autorinnen, die Mütter waren und ihr Schreiben zwischen dem Sein als Mutter, Frau und Autorin suchten. Diese Geschichten spiegeln in gewisser Weise gerade meine Welt: Es tauchen Fragen auf, die auch mich beschäftigen. Eine von diesen schreibenden Müttern war Nathalie Ginzburg. Bevor sie zur Mutter wurde, da wollte sie noch schreiben wie ein Mann: „(…) mir graute davor, man könne den Dingen, die ich schrieb, entnehmen, dass ich eine Frau war.“ (S. 83) „Und dann habe ich Kinder bekommen, und anfangs, als sie noch sehr klein waren, konnte ich nicht verstehen, wie man schreiben sollte, wenn man Kinder hatte. (…) Die Kinder erschienen mir zu wichtig, man konnte nicht gleichzeitig irgendwelchen dummen Geschichten (…) hinterherlaufen. Aber ich hatte entsetzliche Sehnsucht (…).” (S. 83f.) „(…) Was ich damals für meine Kinder empfand, war ein Gefühl, das ich noch nicht zu beherrschen gelernt hatte. Doch dann lernte ich es allmählich. (…) Ich kochte immer noch Tomatensauce und Grießbrei, aber ich dachte dabei an Sachen, die ich schreiben wollte.“ (S. 84)

Bei all diesen Frauen ist Schreiben ein wichtiger Bestandteil ihres Lebens, den sie nicht trennen können von ihren anderen Rollen und Verpflichtungen. Und egal was das Leben bringt, sie schreiben! Ob Notizen auf dem Dachboden, Tagebuch, Essays, Lyrik, Erzählungen – persönlich und literarisch. Beim Lesen war ich inspiriert von den Geschichten, fühlte mich verbunden und nicht so allein mit meinen Zweifeln, der Schwierigkeit, mich zwischen Schreiben und anderen Lebensdingen zu bewegen. Simone Frieling portraitiert Schriftstellerinnen, mit denen wir uns – die sich ebenfalls zum Schreiben hingezogen fühlen – im Geiste verbinden können.

Inspirierende Stärke und Hingabe

Doch das Buch lässt mich mit noch mehr Gefühlen zurück:

Diese großartigen Frauen, die das Schreiben ebenso lieben wie ich, die es brauchen zu schreiben, sind genauso verzweifelt, aber auch kreativ. Sie geben mir die Kraft, weiter zu machen, denn wenn sie es geschafft haben, unter den widrigsten Umständen, ihr Schreiben lebendig zu halten, dann ist es für mich in der Zerreissprobe zwischen Mutter, Coach, Geldverdienerin, Frau, Freundin auch möglich. Inspiration und Mut: Ich bin begeistert von der Stärke und dem Durchhaltevermögen der Frauen, den Willen sich ihrem Schreiben zu widmen und ihrer Hingabe, sich im Schreiben auszudrücken.

Traurige Vergegenwärtigung

Aber da gibt es auch eine Traurigkeit in mir, weil ich mich so verstanden fühle, mich wiederfinden kann und dies bedeutet doch letztendlich, dass sich für schreibende Frauen (besonders mit Familie) noch nicht so viel verändert hat. Judith Wolfsberger bestätigt dies leider in ihrem wundervollen Buch Schafft euch Schreibräume. Im 21. Jahrhundert ist es immer noch nicht so leicht, als Frau zu schreiben, keine Selbstverständlichkeit ein eigenes Zimmer und die künstlerisch-schöpferische Freiheit des Denkens zu haben und dabei wirtschaftlich abgesichert zu sein. Auch wenn sich wirklich schon viel getan hat, scheint es für viele Frauen noch ein Suchen und zum Teil ein Kampf zu sein, sich Schreibräume zu schaffen. 

Fazit: kurzer Blick in Schriftstellerinnenleben

Dieses kleine Büchlein liest sich leicht und gibt doch vertiefende Einblicke in die schweren Umstände, unter denen Frauen schrieben.

Schnell bin ich bei verschiedenen Autorinnen zu Hause. Leider ist die Kürze auch unbefriedigend. Nicht immer habe ich das Gefühl, ausreichend zu erfahren, um mich zu fesseln. Bei einigen der vorgestellten Frauen geht es mir zu wenig um den eigentlichen Schreibraum und wie sie sich Schreibzeit genommen haben. Doch in andere Lebensgeschichten hat es mich reingezogen und mich neugierig gemacht. So ist mir eine Tür geöffnet worden zu spannenden Schriftstellerinnen.

Simone Frieling: Ich schreibe, also bin ich

(Sachbuch, erschienen 2019 bei ebersbach & simon)