
Die Wirkung des Briefeschreibens.
Katis Geschichte und Lebensveränderung begann mit einem Brief. Diesen schrieb sie an den Priester, der auf der Beerdigung von ihrer Mutter eine Rede hielt, die nur aus holen Phrasen bestand. So schrieb Kati ihren Ärger heraus in einem Brief, getippt auf der alten Schreibmaschine ihres Vaters. Als sie keine Antwort vom Priester erhielt, schrieb sie einen neuen Brief an ihn. Dieses Mal jedoch lieferte sie ihn persönlich beim Priester ab und las ihm den Brief vor. „Der Brief war getippt, aber eigentlich war er geschrien.“ (S. 9)
Weil sich Kati danach so befreit und erleichtert fühlte, fing sie an, in ihrem Leben aufzuräumen. Von da an schrieb sie Briefe an Menschen, die ihr im Leben Unrecht angetan hatten. Doch sie schrieb „auch Briefe an die Menschen, denen sie etwas zu verdanken hatte. Diese Briefe schreib sie mit der Hand.“ (S. 13)
Für die Briefe verwendete sie das Butterbrotpapier, dass ihr verstorbener Vater für sie gesammelt hatte. „Das dünne, knisternde Material war Kati immer magisch vorgekommen, als könnte man Zaubersprüche darauf verfassen. Es nahm die Farbe zwar nur widerwillig auf, und in der Schreibmaschine entstanden auf dem passend zugeschnittenen Papier immer wieder kleine Tintenwolken, aber der leichte Glanz verlieh den Buchstaben und den Worten einen besonderen Schimmer.“ (S. 8-9)
Während Kati ihre Briefe verfasste und den Empfängern und Empfängerinnen vorlas, erfuhr sie von so einigen Entscheidungen, die ihre Mutter für sie getroffen hatte entgegen Katis eigener Wünsche. Diese bisher gehüteten Geheimnisse brachten Kati ganz durcheinander, stärkten aber ihren Wunsch, ihr Leben zu ändern und aus ihrer Heimat fortzugehen. Genau in dieser Zeit erschien Severin in Katis Leben. Zwischen ihm und Kati entspinnt sich eine ungewöhnliche Liebesgeschichte. Diese führt am Ende dazu, dass Kati weiß, der letzte Brief kann nur an eine Person gerichtet sein und dieser Brief fällt ihr besonders schwer: Es ist ein Brief an sich selbst. Danach findet sie mit Severin zu einem neuen Briefeschreiben, denn er darf ihr nun auch antworten und Kati erhält nun auch endlich Briefe.
Carsten Henn erzählt in diesem Buch eine leichte, berührende Geschichte. Zu einem Lesevergnügen wurde dieses Buch für mich, da es eine Hommage an das Briefeschreiben ist und vor allem das handschriftliche Schreiben (denn so werden die liebevollen Briefe verfasst). Carsten Henn webt in seinen Text wundervolle Zitate über das Schreiben von Briefen ein:
„Ein Brief war Zeit und Mühe, war Denken an den anderen. Das wertvollste Geschenk.“ (S. 10)
„Ein Brief hetzt einen nie, er macht sich nicht über die Formulierungen lustig, er nimmt geduldig und ohne Urteil jeden Gedanken an.“ (S. 197)
„Es war Teil ihrer Magie, dass Briefe nicht alterten. Wenn man sie las, erschienen sie wie gerade erst verfasst, wie gerade erst gefühlt.“ (S. 189)
Die Butterbrotbriefe von Carsten Henn erschienen am 31.08.2023 im Piper Verlag
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