Was darf beim Schreiben nicht fehlen?

 

Unsere Umgebung, unsere Materialien, unsere Erfahrungen und Eindrücke wirken sich darauf aus, was uns beschäftigt, wie wir schreiben und wie wir Bücher lesen und Geschichten verarbeiten. Das hat mir die Lektüre von Patti Smith’ „Hingabe“ nochmal bildlich vor Augen geführt. 

 

 

In diesem Blogpost beantworten wir darum 9 Fragen darüber, womit, wann und worüber wir gern schreiben, was eigentlich unsere liebsten Lese- und Schreiborte sind und was beim Schreiben nicht fehlen darf. Mach gern mit und beantworte diese Fragen für dich. Für uns war es schön, dass wir uns bewusst gemacht haben, was uns beim Lesen und Schreiben gut tut. Außerdem hat uns der Spaziergang durch die eigenen Vorlieben und entlang unserer Bücherregale einen enormen Inspirationsschub gegeben. 

In dem Sinne wünschen wir dir jetzt viel Spaß beim Lesen unserer Antworten und beim Nachdenken darüber, was dir beim Lesen und Schreiben gut tut. 

 

9 Fragen an Nora und Jana über ihr Schreiben und Lesen

1. Was ist deine Lieblingsschreibübung?

Nora: Einen Dialog schreiben: ich glaube, ich führe schon immer Selbstgespräche und habe als Kind viele Kuscheltiere sprechen lassen. Im schriftlichen Dialog setze ich das fort – mich durch den Perspektivwechsel, den ich dort einnehme, mit bestimmten Themen und Gefühlen auseinanderzusetzen. Besonders lustig finde ich es, einen Dialog mit (scheinbar) unbelebten Dingen oder mit Gefühlen zu führen oder auch diese miteinander sprechen und ja am liebsten streiten zu lassen. Die dialogische Auseinandersetzung hilft mir besonders, Gefühle rauszulassen und die Welt und mich besser zu verstehen. Es schenkt mir meist neue und unerwartete Einsichten.

Jana: Ich mag lyrische Schreibübungen und das Spiel mit den Formen wie beim Zevenaar, weil man dabei automatisch einen poetischen Text schreibt, der einen selbst durchaus überraschen kann. Außerdem mag ich es, für meine Gedanken und Gefühle die passenden Bilder, Worte, Klänge zu finden und am Gedicht so lange zu basteln, bis für mich alles stimmig ist. Dieser Prozess ist für mich total wichtig, weil sich dann zeigt, worüber ich nur rumjammere oder irgendwas projiziere und was mir hingegen wirklich auf der Seele brennt, zu sagen.

 

2. Woran schreibst du gerade? 

Nora: Ganz intensiv schreibe ich mit Jana gerade an einem Fachartikel über unsere Erfahrungen mit Self Love Letters. Das ist eine Herausforderung, da wir sehr vertiefend, analysierend schreiben müssen nach strengen Vorgaben. Aber es macht auch Spaß, weil es mein Verständnis für das Thema verstärkt. Immer wieder und noch an einem Märchen. Eines über Freundschaft für meine liebe Freundin, die ich bereits seit 30 Jahren kenne. Und ein Märchen für und über meine Oma. Außerdem steht für mich an, mich wieder meinen Kindergeschichten über unsere Meerschweinchen zu widmen. Mein eigenes Kind hat mich wieder aufgefordert, die Geschichten zu erzählen und nun haben wir verabredet, dass ich sie aufschreibe. 

Jana: 1.) Ich überarbeite gerade meinen Debütroman. Er ist fertig geschrieben, und aktuell arbeite ich Feedback ein, das ich von Autorinnen aus meiner Schreibgruppe erhalten habe. 2.) Nora und ich arbeiten außerdem gerade zusammen an einem wissenschaftlichen Fachartikel über unsere Erfahrungen mit Self Love Letters. Darin ergründen wir mithilfe von wissenschaftlichen Erkenntnissen, warum sich diese Liebesbriefe so gut anfühlen. 3.) Derzeit hecke ich neue Workshops aus und schreibe dafür meine Ideen und Konzepte. Ich mag es, andere zu überraschen, darum macht mich diese Schreibarbeit gerade sehr fröhlich.

 

3. Was schreibst du gerne? 

Nora: Märchen und Kindergeschichten. Hierin kann ich meine Phantasie ausleben und muss nicht immer alles logisch erklären. Und ich darf auch einfach albern sein.  Außerdem liebe ich das automatische Schreiben und lasse mich gern überraschen, was am Ende dabei herauskommt und was so in mir steckt.

Jana: Privat schreibe ich gerne Gedichte. Da kann man so schön offen und gleichzeitig verschlüsselt schreiben. Manchmal muss ich aber auch einfach meinen Gedanken freien Lauf lassen und wilde Texte in mein Tagebuch rotzen. In den letzten Jahren habe ich gemerkt, dass ich auch gern längere Geschichten erzähle und habe zur Übung einige Erzählungen und Romane geschrieben, einen mit Nora zusammen. Wie gesagt, auch zur Übung. Als Autorin möchte ich genau wie beispielsweise Malerinnen mein Handwerk entwickeln, die Komposition bewusst gestalten, Perspektiven und Motive ausprobieren. Was ich dabei gelernt habe, ist in meinen Debütroman geflossen. Und dann teile ich eben noch gern meine Einsichten, meine Erfahrungen, Lektüreeindrücke auf unserem Blog, Bücherregal und im Newsletter. Diese kreative Freiheit genieße ich gerade sehr.

 

4. Womit schreibst du am liebsten? 

Nora: Mit meinem Füller! Auch wenn ich ihn nicht ständig im Einsatz habe, vielleicht gerade deswegen; mit ihm schreibe ich etwas langsamer, bedachter und bewusster; es hat etwas feierliches ihn zu verwenden und ich würdige damit mein Schreiben. 

Jana: Nora hat es schön geschrieben. Ich liebe meinen Füller auch, Schreiben geht gar nicht ohne. Mit einem Füller habe ich das Schreiben überhaupt gelernt. Es hat etwas Feierliches aber auch etwas Ursprüngliches. Ich mag es, wie die Tinte fließt, ungleichmäßig, geheimnisvoll, langsam. Slow writing. Fürs Romanschreiben habe ich Scrivener für mich entdeckt. In diesem Schreibprogramm habe ich eine gute Übersicht, kann Entwürfe, Notizen, Recherchen speichern. Für mich perfekt.

 

5. Wo ist dein liebster Schreibort? 

Nora: Ich habe schon an vielen Orten geschrieben, doch ich favorisiere Bibliotheken – dort kann zum einen so eine produktive Stille herrschen und in den Berliner Stadtteilbibliotheken (von denen ich einige kennengelernt habe) eine freudige Flüsterstimmung, dort sehe ich andere Schreibende und Lesende, ich bin irgendwie bei mir und doch unter anderen, und vor allem bin ich umgeben von Büchern. Im Sommer aber gehe ich am liebsten in den Garten. Da kann ich durchatmen und das Grün um mich herum beflügelt meine Phantasie. 

Jana: Die Bibliothek ist nicht mein Lieblingsschreibort. Der schüchtert mich eher ein. Lieber schreibe ich zu Hause an meinem Sekretär, ein Geschenk von Freunden. Stabil, schlicht, handgefertigt, zuverlässig, Fächer für Stifte, Federmäppchen und Hefte, darüber inspirierende Bilder. Das brauche ich. Daneben wartet mein kleiner alter Schreibtisch auf mich. Den hab ich second-hand erstanden und aufgearbeitet. Für einen Perspektivwechsel setze ich mich auch gern in die Küche. Als nächstes probiere ich meine Lieblingsbuchhandlung, den „Leseladen“ aus. Die Inhaberin hat extra für lese- und schreibbeschäftigte Menschen eine gemütliche, helle Arbeitsecke mit großem Tisch, Sofa und Stühlen am Fenster eingerichtet. 

 

6. Was ist deine liebste Schreibzeit?

Nora: Früher war es der Abend, besonders gut konnte ich von 22 Uhr bis 24 Uhr oder 1 Uhr nachts schreiben. Dann war ich absolut konzentriert und produktiv. Es war draußen still. Das waren meine magischen Stunden. Ich hatte mein Tagwerk vollbracht und auch schon entspannt. Und dann konnte ich noch mal schreiben. Mit meinen Kindern war diese Spät-Schreibe-Zeit vorbei. Heute suche ich noch nach magischen Stunden – oder wenigstens Minuten :). Auf jeden Fall brauche ich immer noch etwas Anlaufzeit. Früh hinsetzen und losschreiben kann ich nur bei den Morgenseiten, bei denen auch sehr viel … entsteht. 

Jana: Da antworte ich ganz uninspiriert und pragmatisch: wenn alle aus dem Haus sind oder wenn ich gerade keine Aufgaben in der Familie habe und mich in mein Arbeitszimmer zurückziehen kann, Tür zu. Früher träumte ich davon, wie romantisch es sei, nachts am Sekretär im Schein der kleinen Schreibtischlampe zu sitzen und zu dichten und zu forschen. In meiner heutigen Realität passt das aber nicht zu mir. 

 

7. Was darf bei dir beim Schreiben nicht fehlen? 

Nora: Warme Socken oder seit einiger Zeit meine kuscheligen Fellhausschuhe! Selbst im Sommer. Sobald ich mich zum Schreiben hinsetze, bin ich ruhig und fast unbewegt. Und schnell werden meine Füße kalt. Das ist unangenehm und störend. Ich brauche warme Füße, um in einen Schreibflow zu kommen.

Jana: Ich vergesse beim Schreiben gern mal das Essen und Trinken. Darum steht da ein großes Glas Wasser und eine schöne rot-blau-weiß gemusterte Keramikschale mit Äpfeln. Erinnert mich gleichzeitig an den Ostseeurlaub. In kälteren Jahreszeiten friere ich schnell an den Händen und habe darum Pulswärmer von einer Freundin gestrickt bekommen. Gern hab ich auch meine Kalimba in der Nähe, um ein bisschen zu klimpern, wenn die Finger oder der Kopf streiken.

 

8. Welches ist dein liebster Leseort?

Nora: Lesen kann ich eigentlich überall. Im Sommer am Strand oder auf einer Wiese. Abends im Bett und ja auch gern in der Wanne. Morgens mit einem Tee oder Kaffee zusammengenuschelt auf einem Sessel, wenn alle im Haus noch schlafen. S-Bahn, U-Bahn, Zug, Straßenbahn – fast alles, was fährt und dabei sanft ruckelt. Und…

Jana: Ich lese gern im Urlaub und zu Hause auf dem Sofa. Früher in Berlin in allen Trams, Bussen, S-Bahnen, hier sind meine Wege zu kurz zum Fahren. Ich bin leidenschaftliche Fußgängerin geworden mit beiden Beinen fest auf dem Boden und allen Sinnen auf Empfang.

 

9. Hast du ein Lieblingsbuch? 

Nora: Oh bei Büchern kann ich mich immer nicht entscheiden. Ich habe schon wirklich viele tolle Bücher gelesen und mit Jana entdecke ich immer wieder neue. Seit wir mit Kindern und Jugendliche Buchclubs durchgeführt haben, habe ich auch wieder mehr Kinder- und Jugendbücher gelesen, von denen es sehr beeindruckende gibt wie „Feuerwanzen lügen nicht“  von Stefanie Höfler. Bücher, die mich in den letzten Jahren beeindruckt haben, waren: „Was man von hier aus sehen kann“ von Mariana Leky, „22 Bahnen“ und „Windstärke 17“ von Caroline Wahl, „Und alle so still“ von Mareike Fallwickl. Neben Romanen lese ich auch gerne Biografien (z.B. Über Astrid Lindgren) oder Sachbücher mit verschiedenen Themen, z.B. „Beklaute Frauen“ von Leonie Schöler. Gerade diese Leseerlebnisse verarbeite ich gern in einer Buchbesprechung für unser virtuelles Bücherregal. 

Jana: Das eine Lieblingsbuch habe ich gar nicht. Ich lese recht langsam und genüsslich, am liebsten poetische Romane und Erzählungen wie „Die Klatschmohnfrau“ von Noëlle Châtelet, „Das dritte Licht“ von Claire Keegan, „Was man von hier aus sehen kann“ von Mariana Leky oder „Die Erfindung der Sprache“ von Anja Baumheier. Hier genieße ich es, sprachliche Perlen zu entdecken. Die Poesie in Kinder- und Jugendroman wird oft noch von Illustrationen verstärkt. Diese Kinder- und Jugendromane haben mich zuletzt beeindruckt: „Der Träumer“ von Pam Muñoz Ryan und Peter Sís, „Emilia und der Junge aus dem Meer“ von Annet Schaap, „Das Mädchen Wadjda“ von Hayfa Al Mansour, „Die Biene im Kopf“ von Roland Schimmelpfennig, „Himmelwärts“ von Karen Köhler oder „Schön wie die Acht“ von Nikola Huppertz.

Spannend und interessant finde ich Romane, in denen Frauen schreiben, wie in „Wenn Worte meine Waffe wären“ von Kristina Aamand, „Miss Island“ von Auður Ava Ólafsdóttir oder „Writers and Lovers“ von Lily King. Daneben mag ich Romane mit Büchern im Buch, die mal fantastisch, mal eher schrullig, witzig, poetisch oder politisch inszeniert sind, wie „Die unendliche Geschichte“ von Michael Ende, „Das geheime Leben der Bücher“ von Régis de Sá Moreira, „Die Stadt der träumenden Bücher“ von Walter Moers, „Das tiefe Blau der Worte“ von Cath Crowley und „Die Bücherfrauen“ von Romalyn Tilghman.  

Mich berühren die zarten Verse von Hilde Domin, Eva Strittmatter, Mascha Kaléko und Angela Krauß. Ich staune über Ulla Hahns Mut, ihren eigenen Gedichten viele Jahre später “WiƏderworte” zur Seite zu stellen. Und ich liebe ein paar von Michael Endes Balladen aus dem „Trödelmarkt der Träume“. Die Gedichte von Zehra Çirak, Gioconda Belli, Pablo Neruda, Jürg Schubiger, Margaret Atwood stimmen mich nachdenklich, sie kratzen, beißen sich fest, rütteln an mir…

Und dann lese ich gern eher sachliche, biographische, inspirierende Texte über schreibende Frauen, übers Schreiben, Anleitungen und Erfahrungen mit dem Schreiben, wie im Magazin „SchreibRÄUME“, in „Hingabe“ von Patti Smith, „Poesie ist Lebenstanz“ von Ramona Jakob, Dichterinnen und Denkerinnen. Frauen, die trotzdem geschrieben haben von Katharina Herrmann oder von „Frauen Literatur. Abgewertet, vergessen, wiederentdeckt“ von Nicole Seifert (ihr Blog und der Newsletter ihrer Kollegin sind ebenfalls empfehlenswert).

 

Und jetzt du! Wir übergeben den Erzählstein an dich 😉

Wie würdest du diese Fragen für dich beantworten. Und hast du noch mehr Fragen für uns? Schreib uns gern in den Kommentaren. 

Deine Nora und Jana

 

 

 

 

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